Johannes Hahn soll wesentliche Teile der Dissertation kopiert haben.
Dass EU-Kommissar Johannes Hahn seit 2010 in Brüssel weilt, scheint dieser Tage nicht von Nachteil. Denn in Wien ist im Zuge der Guttenberg-Plagiatsaffäre erneut eine Diskussion um seine Doktorarbeit aus dem Jahr 1987 (Titel: „Perspektiven der Philosophie heute“, 282 Seiten) entbrannt. Erste Plagiatsvorwürfe gab es schon 2007, wegen Befangenheit wurde die an der Uni Wien verfasste Arbeit von der Uni Zürich analysiert. Ergebnis: Die Schweizer wiesen den Verdacht zurück.
Experte: „Er hat Wissenschaft ramponiert“
Vier Jahre später scheinen die Vorwürfe aber massiver. Gleich mehrere Experten und „Plagiatsjäger“ stellen Hahns Doktorarbeit an den Pranger. Gerhard Fröhlich, Professor am Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Uni Linz, sagt zu ÖSTERREICH: „Hahn hat keine eigene geistige Leistung erbracht. Die Arbeit ist zu 90 Prozent 1:1 von anderen übernommen. Er hat nur alle paar Seiten einzelne Fußnoten oder Anführungszeichen gesetzt, das ist nicht korrekt.“ Der ehemalige Wissenschaftsminister habe dadurch sogar die „wissenschaftliche Moral in Österreich ramponiert“.
Ähnlich fällt das Urteil von Medienwissenschafter Stefan Weber aus, der die Dissertation gerade für die Grünen analysiert. „Bisher kann ich sagen, dass es sich wahrscheinlich um ein Plagiat handelt. Ein Textsegment wird zitiert, die nächsten Absätze werden nicht zitiert, stammen aber fast wörtlich aus der Originalquelle. Betrifft diese Methode wesentliche Teile, ist es universitätsrechtlich relevant“, so Weber.
Hahn: „Kein Plagiat“
Hahn weist im ÖSTERREICH-Interview (unten) alle Vorwürfe von sich. „Diese Anschuldigungen sind ein Schwachsinn. Ich habe Zitate verwendet und fallweise paraphrasiert. Das Gutachten besagt, es ist kein Plagiat.“
Guttenberg ist nach dem Plagiatsskandal am Dienstag zurückgetreten. Hahn sieht dafür noch keine Notwendigkeit. „Diese Frage stellt sich nicht.“
J. Prüller
Seite 2: EU-Kommissar Hahn im Interview
EU-Kommissar Hahn im Interview
„Arbeit ist kein Plagiat‘
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zu den Plagiatsvorwürfen?
Johannes Hahn: Die Vorwürfe sind Schwachsinn. Ich habe die Arbeit zuerst handschriftlich verfasst, dann abgetippt. Niemand schreibt Hunderte Seiten ab. Ich habe 440 Zitate in meiner Arbeit gehabt. Zudem hat die Uni Zürich bereits 2007 offiziell festgestellt, dass es sich um kein Plagiat handelt. Ich bin heute sehr froh, dass es dieses Gutachten gibt.
ÖSTERREICH: Haben Sie ein schlechtes Gewissen?
Hahn: Nein, überhaupt nicht. Die Arbeit ist vor 25 Jahren beurteilt und vor vier Jahren nochmals geprüft worden. Ergebnis: Es liegt kein Plagiat vor. Ich habe schon in meiner Einleitung erwähnt, dass ich eine essayistische Form wähle, habe dann mit Zitaten gearbeitet und fallweise paraphrasiert. Man muss meine Doktorarbeit auch im Kontext dieser Zeit sehen. (prj)
Seite 3: Professor Gerhard Fröhlich fordert: "Nun muss Uni prüfen"
Professor Gerhard Fröhlich fordert:
"Nun muss Uni prüfen"
ÖSTERREICH: Sie analysieren Hahns Doktorarbeit. Was ist Ihre Bilanz?
Fröhlich: Hahn hat vermutlich bis zu 90 Prozent 1:1 von anderen übernommen und nur alle paar Seiten Anführungszeichen und Fußnoten gesetzt. Es ist keine originäre geistige Leistung.
ÖSTERREICH: Konnten Sie mit Hahn darüber reden?
Fröhlich: Ja, ich habe ihm geraten, die Doktorarbeit zu überarbeiten. Er hat das aber abgelehnt.