Antrittsbesuch

Van der Bellen auf "Hausbesuch" bei der EU

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In Begleitung von Bundeskanzler Kern trifft VdB Juncker und Tusk

Der neue Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Montagvormittag in Begleitung von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) seinen Antrittsbesuch bei der EU begonnen. In Brüssel will Van der Bellen im Tagesverlauf mit Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker und dem Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, die "aktuelle Situation in der EU" besprechen.

"Das läuft unter dem Begriff erste Auslandsreise", sagte Van der Bellen am Hinflug im lockeren Gespräch mit Journalisten. Es sei aber die Frage, ob die Europäische Union überhaupt als Ausland bezeichnet werden könne. Vielleicht handle es sich ja eher um einen "Hausbesuch", wurde an Bord gescherzt.

Einheit der Union
Meinungsverschiedenheiten mit seinen Brüsseler Gesprächspartnern Juncker und Tusk erwarte er nicht, meinte der Bundespräsident. "Ich werde die Einheit der Europäischen Union beschwören", verriet Van der Bellen auch hinsichtlich seiner für Dienstag geplanten Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.

Eine starke und geschlossene Union sei für die Herausforderungen der Zukunft wichtig, unterstrich das Staatsoberhaupt. Es wäre auch angesichts der neuen weltpolitischen Machtverhältnisse nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ein Irrtum zu glauben, dass einzelne Länder alleine besser reüssieren könnten.

Bundeskanzler Kern will auf EU-Ebene unter anderem das Thema Entsolidarisierung ansprechen. Neben den Rissen, die dabei in der Flüchtlingsfrage entstanden seien, oder den Problemen durch die Entsenderichtlinien für den Arbeitsmarkt müsse auch darüber nachgedacht werden, ob es weiter einen Wettlauf zu einer Steuerentwicklung nach unten geben müsse. Kern erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Volksabstimmung in der Schweiz, bei der am Sonntag eine Reform der Unternehmensbesteuerung, die eine Senkung der Abgaben auf Gewinne bedeutet hätte, abgelehnt worden war. "Interessant", befand der Kanzler hinsichtlich des Votums der Schweizer Bevölkerung.

Der Besuch kommt zu einem Zeitpunkt, in dem sich die EU in einer Art Identitätskrise befindet. Juncker äußerte in einem am Wochenende veröffentlichten Interview beispielsweise die Befürchtung, dass die Europäische Union auseinanderbrechen könnte. Er habe Zweifel, ob die Mitgliedsstaaten angesichts des Brexit eine Geschlossenheit finden würden. "Die Briten, die werden es schaffen, ohne große Anstrengung die anderen 27 Mitgliedsstaaten auseinanderzudividieren", sagte Juncker, der für sich eine weitere Amtszeit an der Spitze der Brüsseler Behörde ausschloss.

"Die Briten wissen schon sehr genau, wie sie das in Angriff nehmen können", sagte der Luxemburger mit Blick auf die Spaltung des Staatenbundes im Deutschlandfunk. "Man verspricht dem Land A dieses und man verspricht dem Land B jenes und man verspricht dem Land C etwas anderes." Dabei sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem die EU sich vor dem Hintergrund des Brexit und des US-Präsidenten Donald Trump eigentlich einig zeigen müsste. "Ob dem aber so sein wird. Da habe ich einige begründete Zweifel."

USA
Unsicherheit macht sich auch angesichts des Machtwechsels in den USA breit. Juncker kritisierte in dem Interview die mögliche Nominierung des Europakritikers Ted R. Malloch zum künftigen US-Botschafter bei der EU scharf und schloss nicht aus, dass ihm die Akkreditierung verweigert werden könnte.

Malloch hatte zuletzt gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" eine völlig neue Europapolitik seines Landes erwähnt: "Es deuten sich richtungweisende Veränderungen im Verhältnis der USA zu Europa an." Was internationale Organisationen angehe, sei Washington vorsichtig geworden. "Aus Sicht der USA ist es oft besser, mit den einzelnen Staaten der EU bilateral zusammenzuarbeiten. Offen gesagt, befinden sich die USA dann auch im Vorteil."

Malloch betonte, dass er die Gemeinschaftswährung Euro als "fehlerhaftes Experiment" ansehe. "Wenn ich an einem Handelsdesk einer Investmentbank sitzen würde, würde ich gegen den Euro wetten", sagte er. Den Zusammenbruch des Euros erwartet er für die kommenden 18 Monate.

Zudem teile er die Einschätzung von US-Präsident Donald Trump, dass der Brexit nicht der letzte Austritt eines Landes aus der EU gewesen sein könnte: "Wenn Sie sich in Europa umschauen, können Sie fast schon zwei beliebige Buchstaben vor das Wort Exit setzen."

Der 64-Jährige hatte bereits zuvor in Interviews mit der britischen BBC Ende Jänner scharf gegen die EU geschossen. "Ich hatte in einer früheren Karriere mit einem diplomatischen Posten dabei geholfen, die Sowjetunion zu Fall zu bringen. Vielleicht gibt es jetzt eine andere Union, die etwas Zähmung braucht."

In diesem Umfeld war der Wahlsieg des unabhängigen Kandidaten mit grünen Wurzeln gegen den FPÖ-Kontrahenten Norbert Hofer aus Sicht der EU-Spitzen durchaus bedeutsam gewesen. In Brüssel wird nach dem Brexit-Votum der Briten und dem Erfolg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen ein weiterer Aufstieg von Rechtspopulisten und Europagegnern befürchtet, insbesondere bei den bevorstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Frankreich bzw. den Niederlanden.

In den Niederlanden kann die rechtspopulistische Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders mit dem ersten Platz vor der liberalen VVD von Regierungschef Mark Rutte rechnen. Aber auch von den französischen Präsidentschaftswahlen, wo sich die Kandidatin und Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, die "Zerstörung der EU" auf die Fahnen geschrieben hat, und vom Ausgang der deutschen Bundestagswahl hängt wohl in entscheidendem Maße ab, welchen Kurs die EU künftig verfolgen wird.

Juncker hatte in Hinblick auf die FPÖ vor der österreichischen Bundespräsidentenwahl kein Hehl daraus gemacht, "dass ich sie nicht mag". In einem Interview hatte er erklärt: "Mit den Rechtspopulisten ist weder eine Debatte noch ein Dialog möglich." Der neue Bundespräsident wiederum hat sich bewusst Brüssel und Straßburg für seinen ersten Auslandsbesuch ausgesucht. Warum gerade dorthin? "Weil das salopp gesagt die Hauptstadt Europas ist", begründete Van der Bellen Ende Jänner vor den Schülerinnen und Schülern des Wiener Gymnasiums Stubenbastei.

Neben den Wahlen in Frankreich, den Niederlanden oder Deutschland dürfte beim Besuch Van der Bellens und Kerns eben auch der "Brexit" zur Sprache kommen. Der Scheidungsprozess Großbritanniens von der EU sollte "transparent" verlaufen, hieß es vor dem Besuch aus dem Umfeld Van der Bellens. "Es sollte da auch Zwischenberichte geben."

Der Liberalen-Fraktionschefs im Europaparlament Guy Verhofstadt forderte am Wochenende eine umfassende Reform der EU. "Die Europäische Union kommt nur dann aus der Krise, wenn die EU-Institutionen parallel zu den Verhandlungen um den Brexit, die im März beginnen sollen, eine grundlegende Reform der Europäischen Union vorantreiben", sagte der frühere belgische Regierungschef der "Welt am Sonntag".

"Die aktuelle EU funktioniert nicht. Wir brauchen einen Neustart." Nach Angaben Verhofstadts arbeitet das Europäische Parlament derzeit intensiv daran, "bis zum Jahresende die Mitgliedsländer zu drängen, einen Prozess zu starten, der letztlich zu einem neuen EU-Vertrag führt". Dies sei der einzige Weg, Nationalisten und Populisten Einhalt zu gebieten und "die existenzielle Krise der Union" zu überwinden.

Bei Van der Bellens Besuch stehen zudem der österreichische EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2018 sowie die weitere "enge Zusammenarbeit mit den EU-Institutionen" und die Westbalkanregion auf dem Gesprächsprogramm, in der Österreich nach wie vor als "Schirmherr" gesehen werde.

Am Dienstag wird das neue Staatsoberhaupt dann eine Rede vor dem Europaparlament in Straßburg halten. Zudem ist ein Gespräch mit Parlamentspräsidenten Antonio Tajani geplant. Nach seiner EU-Reise stattet Van der Bellen in Folge am Donnerstag und Freitag der Nachbarin Schweiz einen offiziellen bilateralen Besuch ab. In Bern ist ein Arbeitsgespräch mit der diesjährigen Bundespräsidentin der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Doris Leuthard, geplant.

Die Schweiz ist kein Mitglied der EU, dieser aber durch bilaterale Verträge eng verbunden. Begleitet wird Van der Bellen dabei von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Am Freitag besucht der Bundespräsident dann die Roche Pharma AG in Basel sowie die technisch-naturwissenschaftlichen Hochschule ETH in Zürich.
 

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