Im ÖSTERREICH-Interview fordert der Grünen-Chef statt der Steuerreform doch lieber Milliarden für Bildung auszugeben.
Alexander Van der Bellen will Budget-Überschüsse lieber für Bildung investieren statt die Steuer zu senken. Im ÖSTERREICH-Interview spricht er über sein zehnjähriges Jubiläum als Parteichef, den Hausversand und wie der die nächsten Wahlen schlagen will.
ÖSTERREICH: Die Grünen setzen stark auf den Klimaschutz. Viele Maßnahmen kosten aber auch Geld. Die SPÖ etwa bremst daher beim Ausbau des Ökostroms. Was können Sie da anbieten?
ALEXANDER Van der Bellen: Klimaschutz ist auch eine Frage der Sozialpolitik. Personen mit niedrigem Einkommen könnten als Ausgleich für höhere Heizkosten Zuschüsse vom Staat bekommen. Auch für Pendler muss etwas getan werden, um die steigenden Kosten abzufangen.
ÖSTERREICH: Wie viel würde das kosten?
Van der Bellen: Die Wohnbauförderung ist mit 1,8 Milliarden Euro budgetiert, die müssten für Wärmedämmung und Sanierung umgeschichtet werden. Und für die soziale Abfederung müssten wir auf Dauer mit einigen 100 Millionen Euro rechnen.
ÖSTERREICH: Viel Geld, wenn 2010 auch eine Steuerreform kommen soll.
Van der Bellen: Das ist einer der Gründe, warum ich so skeptisch gegenüber der Ankündigung einer Milliarden-Steuersenkung bin. Wir sollten das Geld lieber für Kindergärten, Schulen, Universitäten ausgeben.
ÖSTERREICH: Alle anderen Parteien fordern die Steuerreform. Haben Sie keine Angst, dass Ihnen die Wähler das Nein zum Steuerzuckerl übel nehmen?
Van der Bellen: Irgendjemand muss doch den Hausverstand repräsentieren und die simple Abschätzung von Einnahmen und Ausgaben machen.
ÖSTERREICH: Aber kommt Ihre Partei mit Hausverstand weiter? Sie stehen seit Jahren im Wartesaal für eine Koalition.
Van der Bellen: Naja, in Europa gehören wir zu den erfolgreichsten grünen Parteien. Und mit Ausnahme der Einstellung zu Ausländern und Zuwanderern hat sich im öffentlichen Bewusstsein in den vergangenen Jahren viel verändert, etwa beim Klimaschutz und bei der Bildung. Und über ein Bleiberecht für langjährige Asylwerber wäre ohne Grüne nicht einmal diskutiert worden.
ÖSTERREICH: Und was haben die Grünen als Partei davon?
Van der Bellen: In der Bundespolitik relativ wenig, außer dass wir mit Terezija Stoisits eine Volksanwältin haben. Und in Oberösterreich wären wir ohne die Erfolge im Bund nicht in die Landesregierung gekommen.
ÖSTERREICH: Werden Sie noch einmal als Spitzenkandidat eine Regierungsbeteiligung anstreben?
Van der Bellen: Wenn ich vom Bundeskongress wieder gewählt werde, ja.
ÖSTERREICH: Würden die Grünen eine Regierungsbeteiligung überhaupt aushalten?
Van der Bellen: Diese Diskussion haben wir intern hinter uns. Jede Entscheidung hat ein Risiko. Aber ein akademischer Debattierklub zu bleiben, der sich der Macht verweigert, ist mit Sicherheit nicht meine Politik.
ÖSTERREICH: Glauben Sie noch an die von der gesamten Opposition geforderte Offenlegung der Parteispenden?
Van der Bellen: Die SPÖ hat immer gesagt, sie will, aber die ÖVP lässt sie nicht. Mittlerweile glaube ich, das ist eine faule Ausrede. Die SPÖ will es auch nicht.