Alexander Van der Bellen sieht sich im Rennen gegen Norbert Hofer nicht als Außenseiter.
Der blaue Anzug ist Zufall. Kein Versuch, wirklich jedes Mittel zu ergreifen, den Vorsprung des freiheitlichen Mitbewerbers Norbert Hofer wettzumachen, betont man im Büro des Hofburg-Kandidaten Alexander Van der Bellen.
Der Professor gibt sich betont optimistisch beim ÖSTERREICH-Termin in seiner Wahlkampfzentrale bei der Wiener Votivkirche. Außenseiter? „Warum? Wir beginnen beide wieder bei null. Auch Hofer muss seine 35 Prozent erst wieder in die Kasse bringen.“
Der Vorsprung von Norbert Hofer von satten 15 Prozent sei deshalb nur ein virtueller. Der Zuspruch in den sozialen Netzen sei riesengroß. Van der Bellen ist noch ganz überwältigt vom Abend im voll besetzten Burgtheater, wo André Heller die Präsentation seines neuen Buches zu einer Wahlveranstaltung gegen Hofer umfunktioniert hatte. 1.200 Leute und alle waren für ihn.
Die Strategie Van der Bellens ist gewagt, denn sie ist eine Gratwanderung. Er setzt in den letzten beiden Wochen weniger auf einen intensiven Händeschüttel-Wahlkampf, sondern lieber auf das Internet.
Er verzichtet auf frontale Angriffe auf Hofer und dessen rechte Ansichten. Für ihn könnte das Schwingen der Nazikeule kontraproduktiv werden – das lässt er lieber seine prominenten Unterstützer erledigen.
In Sachen Zuversicht steht er seinem Gegner Hofer jedenfalls um nichts nach. Was er für den 22. Mai erwartet? „So 55 % sollten sich ausgehen.“
Interview: »Hofer als Präsident bedeutet eine höhere Arbeitslosigkeit«
ÖSTERREICH: Wie wollen Sie die 15 % aufholen?
Alexander van der Bellen: Es ist klar, es geht um eine Aufholjagd. Aber auch Hofer muss seine 35 Prozent wieder in die Kasse bringen. Mich trägt das Gefühl, dass jetzt Hunderte und Tausende von Einzelinitiativen entstehen, die über Social Media aufrufen, mich zu wählen, bzw. Hofer nicht zu wählen. Da sind Jugendliche, Rockbands, Politiker und Künstler, zum Großteil Leute, die ich gar nicht kenne. Hier entsteht eine breite Bewegung aus sich heraus.
ÖSTERREICH: Wie wollen Sie Hofer Teile seiner 35 % abspenstig machen?
Van der Bellen: Dieses Drittel der Wähler hat gezeigt, wie groß die Unzufriedenheit mit der Regierung ist. Dass sich die Leute Sorgen machen, wie es weitergehen soll. Das ist ja legitim. Aber gerade in dieser Situation ist ein überparteilicher Bundespräsident wichtig. Herr Hofer macht gar kein Hehl daraus, dass er Straches verlängerter Arm in der Hofburg sein wird und will. Das Unbehagen sitzt bei den Menschen tief: Was wird Hofer in der Hofburg machen? Wird er der Regierung drei unerfüllbare Forderungen übermitteln und dann das Parlament auflösen?
ÖSTERREICH: Enttäuscht es Sie, dass Irmgard Griss keine Wahlempfehlung für Sie abgegeben hat?
Van der Bellen:: Sie hat aber erklärt, sie teile meine Werte in Sachen Weltoffenheit, Europa und Demokratie.
ÖSTERREICH: Was würde ein Bundespräsident Hofer für Österreich bedeuten?
Van der Bellen:: Ich fürchte, wirtschaftspolitische Isolierung. Und weil jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich direkt oder indirekt exportabhängig ist, bedeutet das eine höhere Arbeitslosigkeit. Es ist kein Zufall, dass Hofers erste Gratulanten Le Pen, Wilders oder die AfD waren. Alles rechtsextreme Parteien. Madame Le Pen spricht ausdrücklich von ihrem Wunsch, die EU zu zerstören. Auch das würde Arbeitsplätze kosten. Den 500.000 Arbeitslosen sage ich schon: Überlegt euch das gut.
ÖSTERREICH: Dennoch fällt auf, dass Sie, obwohl in der Außenseiterrolle, den Herrn Hofer mit Glacéhandschuhen anfassen …
Van der Bellen:: Ich bin auf der persönlichen Ebene korrekt zu ihm, manche sagen, zu korrekt. Mir geht es nicht darum, ihm untergriffig zu begegnen.
ÖSTERREICH: Sie wollen ihn weiter nicht angreifen?
Van der Bellen:: Es ist schon beunruhigend, dass er einer Burschenschaft angehört – als Ehrenmitglied –, die mit der österreichischen Nation nichts am Hut hat. Warum will er dann österreichischer Bundespräsident werden? Habe ich ihn noch nie gefragt. Wäre aber eine gute Idee.
ÖSTERREICH: Ihnen müsste als Präsident daran gelegen sein, dass diese Regierung am Leben bleibt. Was werden Sie da unternehmen?
Van der Bellen:: Ich weiß, es sind unruhige Zeiten, und daher nehme ich diesen Wahlkampf so ernst, um Bundespräsident zu werden. Wodurch ist Österreich groß geworden? Es war der Wille zur Zusammenarbeit.
ÖSTERREICH: Werden Faymann und Mitterlehner noch Ihre Ansprechpartner sein?
Van der Bellen:: Darüber möchte ich jetzt nicht spekulieren. Bis zur Angelobung sind immerhin gute zwei Monate Zeit. Da kann noch sehr viel passieren.
ÖSTERREICH: Die Frage nervt Sie womöglich, ich denke aber, dass man sie neu stellen muss: Kracht die Regierung, sind Neuwahlen denkbar. Was machen Sie dann mit dem Strache, wenn der mit 35 % daherkommt?
Van der Bellen:: Warten wir mal ab. Erstens ist jetzt ein Schock durchs Land gegangen wegen dieser 35 %. Und es formiert sich eine breite Gegenbewegung jenseits aller Parteigrenzen. Zweitens: Ein bisschen Vertrauen in die Selbsterhaltung von SPÖ und ÖVP darf man schon noch haben. Solange die Umfragen so sind, wie sie sind, wird keine Mehrheit eine Auflösung des Nationalrats beschließen. Hofer aber könnte eine Neuwahl erzwingen. Diese Rechte des Präsidenten wurden noch nie ausgeschöpft, aber es ist denkbar. Meine Absicht ist es nicht. Bei allem Verdruss, den wir mit dieser Regierung gehabt haben, sollte sie die wahrscheinlich letzte Chance nutzen, zu zeigen, was sie kann.
ÖSTERREICH: Habe ich Sie richtig verstanden: In Sachen TTIP würden Sie ähnlich vorgehen wie Hofer …
Van der Bellen:: Das Ergebnis, das bis jetzt auf dem Tisch liegt, ist indiskutabel und inakzeptabel. Ich bin kein prinzipieller Gegner eines fair gestalteten Freihandels, aber unsere Landwirtschaft, unsere Bauern und die Qualität unserer Lebensmittel auf dem Altar des Freihandels zu opfern, geht nicht.
ÖSTERREICH: Sie unterschreiben das Gesetz also auch nicht?
Van der Bellen:: Nein. Aber zuerst müsste der Nationalrat ja dieses Gesetz beschließen und dafür sehe ich keine Mehrheit. Also warum macht sich Hofer da so wichtig? Es wird das Gesetz gar nicht geben. Ich fordere: Schluss mit dem Unsinn. Wir haben uns jahrzehntelang gegen gentechnisch manipulierte Lebensmittel gewehrt und jetzt sollen wir den Markt dafür öffnen? Absurd!
ÖSTERREICH: Ein guter Teil von Hofers 35 % speist sich aus dem Flüchtlingsproblem und einem zunehmenden Unsicherheitsgefühl …
Van der Bellen:: Erstens muss man klar sagen, dass für wirtschaftliche Zuwanderung angesichts der 500.000 Arbeitslosen kein Raum ist. In der Flüchtlingsfrage haben beide Seiten Rechte und Pflichten. Wir haben die Pflicht, jeden, der barfuß mit Kind und Kegel einen Asylantrag stellt, ein ordentliches Verfahren zu garantieren. Aber die Neuankömmlinge haben die Pflicht, sich entsprechend zu verhalten und unsere Regeln zu akzeptieren. Ich habe null Toleranz gegenüber sexueller Belästigung oder Gewalt auf der Straße.
ÖSTERREICH: Der Appell allein wird nichts nützen …
Van der Bellen:: Nein, natürlich sind auch entsprechende Maßnahmen nötig, um männlichen Minderjährigen eine Perspektive zu geben, ihre Ausbildung zu fördern, damit sie sich nicht zu Banden zusammenschließen und Kleinkriege untereinander austragen.
ÖSTERREICH: Soll auch die Polizei verstärkt und besser ausgerüstet werden?
Van der Bellen:: Als Präsident würde ich den Innenminister und den Polizeipräsidenten fragen, wie’s steht und was sie brauchen. Bis jetzt habe ich den Eindruck, unsere Polizei macht ihre Sache sehr gut.
ÖSTERREICH: Warum haben Sie das ORF-Bürgerforum abgesagt? Kneifen Sie vor Hofer?
Van der Bellen:: Erstens haben wir an jenem Tag andere wichtige Termine. Zweitens soll sich Herr Hofer am wenigsten aufregen. Wir hatten bereits etliche Diskussionsveranstaltungen mit Bürgern, etwa mit Schülern und Jugendlichen und wer ist nicht erschienen? Norbert Hofer. Und drittens sind gecastete Publikumsshows dem Amt nicht angemessen. Wir finden kein Beispiel, wo Heinz Fischer in eine dieser inszenierten TV-Shows gegangen ist. Außerdem wissen Sie selbst, dass ich nicht kneife. Ich diskutiere ja auch für Ihre Zeitung mit ihm.
ÖSTERREICH: Wer wird Fußball-Europameister?
Van der Bellen:: Wir wissen alle, was wir hoffen. Ich hoffe sehr, dass die Alabas, Arnautovics und Dragovics sehr weit kommen. Das würde auch die Frage nach meiner ersten Auslandsreise klären. Am 10. April in Paris – das wär was …(scw)