Türkei "weiter wichtiger Partner"

Van der Bellen: "Wir blicken mit Spannung in die USA"

02.02.2017

Erster Neujahrsempfang des neuen Bundespräsidenten - Türkei "weiter wichtiger Partner".

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© ÖSTERREICH/ Kernmayer
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Bundespräsident Alexander Van der Bellen hofft, dass die US-Außenpolitik auch in Zukunft vom Wunsch "nach enger multilateraler Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt" geprägt sein wird. "Wir blicken mit Spannung in die USA, wo Präsident Donald Trump die Regierungsgeschäfte übernommen hat", sagte Van der Bellen am Donnerstag beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps in der Wiener Hofburg.

Trump habe während des Wahlkampfs als auch nach seiner Wahl "zahlreiche pointierte Aussagen" getätigt, erinnerte der neue Bundespräsident bei seinem ersten Auftritt vor den in Wien akkreditierten Botschaftern und weiteren Diplomaten. Angesichts weltweiter Krisen und Konflikte würden sich viele "die Frage stellen, wie die künftige US-Außenpolitik aussehen wird".

Van der Bellen betonte aber, dass Österreich auch an guten Beziehungen mit der Russischen Föderation "sehr gelegen" sei. Im an die Diplomaten verteilten Redetext stellte Van der Bellen zudem fest, "dass durch die illegale Annexion der Krim Völkerrecht verletzt wurde." In der Ansprache selbst forderte er "die Einstellung der Unterstützung der bewaffneten Formationen in der Ostukraine". Gleichzeitig erinnerte er auch die Ukraine daran, "ihre Verpflichtungen im Rahmen der Minsker Abkommen zu erfüllen".

Van der Bellen wies im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt ("Die Entwicklungen in der Ostukraine erfüllen uns mit großer Sorge") und in Gegenwart von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) darauf hin, dass Österreich als "neutrales Land mit einer reichen Erfahrung als Dialogplattform und Brückenbauer" heuer den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) innehabe. "Wir sind davon überzeugt, dass die OSZE als bewährtes Dialogforum von 57 Mitgliedsstaaten ein geeignetes Instrument ist, um dem Vertrauensverlust, den wir in diesen Tagen auf den verschiedensten Ebenen wahrnehmen, entgegenzusteuern und Hoffnung auf ein neues Miteinander zu vermitteln."

Der frühere Grünen-Chef verlieh auch seiner Sorge um den Zustand der Europäischen Union Ausdruck. Die EU blicke "auf ein beispiellos schwieriges Jahr" zurück. Angesichts von hoher Arbeitslosigkeit in vielen Mitgliedsstaaten, dem geplanten Austritt Großbritanniens sowie von Radikalisierung und Terrorismus habe sich der in den Vorjahren entstandene Vertrauensverlust in die EU noch einmal vertieft, konstatierte das Staatsoberhaupt.

 Die EU habe aber trotz multipler Krisen in allen Bereichen in enorm kurzer Zeit entschlossen reagiert und wirksame Maßnahmen ergriffen, unterstrich Van der Bellen. Etwa im Bereich Migrations-und Asylpolitik oder bei der "europäischen Sicherheitsagenda zur Bekämpfung von Terrorismusbedrohungen". Allerdings werde die EU nicht an tief greifenden Reformen vorbeikommen. "Die Bürgerinnen und Bürger erwarten Zusammenarbeit und Zusammenhalt sowie bessere Ergebnisse von der EU."

Bezüglich der jüngsten Entwicklungen in der Türkei erklärte der 73-Jährige, diese sei und bleibe ein wichtiger Partner für Europa, sei es in den Bereichen Wirtschaft, Migration, Sicherheit oder regionalen Fragen. Eine auf demokratischen Prinzipien basierte Türkei sei daher sehr wichtig, "nicht zuletzt um die Stabilität in der Region zu gewährleisten".

Österreich habe den Putschversuch vom vergangenen Sommer unmissverständlich verurteilt und erkenne den Kampf der Türkei gegen den Terrorismus an, sagte der Bundespräsident. Österreich sei aber sehr beunruhigt "über die dramatischen Entwicklungen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und Grundfreiheiten". Im Redetext hieß es zudem: "Willkürliche Säuberungsaktionen und Beschränkung der Pressefreiheit sind aus unserer Sicht inakzeptabel."

Zur prinzipiellen Sicherheitsdebatte im Zusammenhang mit der Terrorismus-Bekämpfung mahnte Van der Bellen, dass ein demokratischer Rechtsstaat "schwach" werde, wenn er sich durch Terror dazu hinreißen lasse, seine eigenen Grundsätze der vermeintlichen Bekämpfung des Terrorismus zu opfern. "Nur dann hätten die Terroristen einen Sieg errungen."

Bezüglich des israelisch-palästinensischen Konflikts erklärte der Bundespräsident, eine "verhandelte Friedenslösung" auf Basis von UNO-Resolutionen und des Völkerrechts würde einen entscheidenden Beitrag zu Stabilität in der Region leisten. "Österreich und die EU werden weiterhin mit allen Kräften die Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung unterstützen."

Zum Flüchtlings-Thema erinnerte Van der Bellen, dass Österreich immer wieder die Bereitschaft unter Beweis gestellt habe, Menschen in Not zu helfen. Diese Grundhaltung sei jedoch im Zusammenhang mit der Gewährung von Asyl auf Dauer nur möglich, wenn gleichzeitig die Ursachen für Migration energisch bekämpft und Belastungen gerecht und fair verteilt würden. "Genau das ist auch im Jahr 2017 das Ziel des maltesischen Ratsvorsitzes, das Österreich unterstützt."

Seitens der versammelten Diplomaten ging auch der Apostolische Nuntius in Wien, Peter Stephan Zurbriggen, auf die aktuellen Probleme der Europäischen Union ein. "Die EU steht vor der größten Herausforderung der vergangenen Jahrzehnte", sagte der Doyen der in Wien akkreditierten Botschafter. Zurbriggen nannte die Bereiche Flüchtlings- und Wirtschaftskrise und "ungelöste Konflikte an Europas Grenzen".

Die EU müsse aber als Brückenbauer daran arbeiten, Frieden und solidarische Beziehungen zwischen Ländern und Völkern zu festigen und auch religiöse Freiheiten zu gewährleisten. Die Herausforderungen einer multipolaren Welt würden bei den Menschen auch Ängste um ihre Identität wecken. "Verschiedenheit darf aber nicht zu Konflikten oder Zusammenstößen führen, sondern soll der gegenseitigen Bereicherung dienen."

 Zurbriggen strich auch die Rolle Österreichs als internationaler Vermittler hervor. Wien sei neben New York und Genf Sitz wichtiger UN-Organisationen und zuletzt beispielsweise auch Ort für die Atomdeal-Verhandlungen mit dem Iran oder die Syrien-Friedensgesprächen gewesen.
 

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