Neue Studie
Vertrauensverlust in Politik steigt stetig
31.08.2010
Vor allem das Interesse der Österreicher an der EU ist enden wollend.
In Österreich sei es in den vergangenen Jahren zu einem Vertrauensverlust in die Politik gekommen. Die Bevölkerung zeigt immer weniger Interesse, an Wahlen teilzunehmen. Derzeit interessierten sich die Österreicher am stärksten für die Innen-, Landes- und Gemeindepolitik. Die Weltpolitik begeistert sie noch mehr als die EU, die am schlechtesten abschneidet, wie eine Studie von Reinhold Popp von der Fachhochschule Salzburg zeigt. Insgesamt biete sich das Bild einer "eher passiven politischen Kultur in Österreich".
Unterschiede
Für die Gemeindepolitik interessieren sich 10
Prozent überhaupt nicht und 21 Prozent wenig; ebenso zeigt sich das Ergebnis
bei der österreichischen Innenpolitik mit 11 Prozent überhaupt nicht und 20
Prozent wenig, und für die Politik des Landes erwärmen sich 11 Prozent
überhaupt nicht oder 21 Prozent wenig. Die EU interessiert 18 Prozent
überhaupt nicht und 26 Prozent nur wenig, davor rangiert noch die
Weltpolitik, für die sich 16 Prozent überhaupt nicht und 23 Prozent nur
wenig kümmern, lässt sich aus 2.5000 aktuellen Direktinterviews mit
Österreichern ableiten.
Interesse sinkt
Insgesamt ist das Interesse an Politik in den
letzten Jahren gesunken, besonders bei jungen Menschen zeigt sich eine
größer werdende Distanz zur Politik. Das Wort "Politikverdrossenheit" müsste
richtig "Politikerverdrossenheit" oder "Parteipolitikverdrossenheit" heißen,
da sich der Unmut der Bevölkerung insbesondere gegen Parteien und
Berufspolitiker richtet, folgerte Popp. Die politische Beteiligung sei bei
Wahlen auffallend gesunken, was besonders für die Bundespräsidentenwahl
zutreffe. Auch bei den Nationalratswahlen sei ein geringerer Urnengang
auffallend. Noch dramatischer als bei den nationalen Wahlen fällt der
Rückgang der Wahlbeteiligung bei den sogenannten Nebenwahlen aus, wozu
beispielsweise ÖH- oder Kammerwahlen fallen. Aber auch die Wahlen zum
Europäischen Parlament gehören dazu.
Die Möglichkeit der politischen Mitbestimmung durch Wahlen werden von den Älteren noch deutlich stärker genutzt als von den Jungen. Das könne dadurch erklärt werden, dass ältere Menschen den Wahlakt aufgrund ihrer politischen Sozialisation wichtiger finden als jüngere, stellte der Zukunftsforscher fest. Die hohe Wahlbeteiligung bei Älteren lasse sich wohl besser mit ihren spezifischen politischen Erfahrungen erklären als bloß mit ihrem Alter.
Bevor es aber zu einer Bereitschaft der politischen Beteiligung komme, seien in der Regel Grund- und Sicherheitsbedürfnisse abzudecken. Mitbestimmung komme erst auf den höheren Ebenen ins Spiel, meinte Popp. Frei nach Bert Brecht könnte man sagen: "Erst kommt das Fressen, dann die Politik".
"Ewige Kompromisse bringen nichts. Besser wäre, eine Partei würde allein regieren. Wenn sie versagt, kann sie abgewählt werden." Diesem Satz stimmen die Hälfte der Österreicher zu: Ein solches Ergebnis wäre noch vor 25 Jahren fast revolutionär gewesen, denn damals war das Konsensklima unumstritten. Trotz des verstärkten Wunsches nach weniger Konsenspolitik ist die Akzeptanz der Sozialpartnerschaft weiterhin sehr hoch, wie die Studie von Popp beweist. 81 Prozent sind laut einer Umfrage im Jahr 2007 der Meinung, die Sozialpartner sollten bei Entscheidungen mit einbezogen werden und knapp mehr als die Hälfte glaubt, dass eine solche Einbeziehung bessere Ergebnisse nach sich ziehe, wie die Studie ergab. "Die Mehrheit der Österreicher wünscht sich also eine Sozialpartnerschaft, in der Konflikte offen ausgetragen und gelöst werden."