Wahlprogramm
ÖVP für verpflichtende Deutschklassen
13.09.2017Zudem visiert der Außenminister eine Entlastung bei Sozialversicherung an.
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ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat am Mittwoch unter dem Titel "Aufbruch und Wohlstand" den zweiten Teil seines Wahlprogramms präsentiert. Auf 93 Seiten kreist es um Wirtschaft, Bildung, Forschung, Kultur und Umwelt. Kinder sollen etwa erst dann zum Regelschulbetrieb zugelassen werden, wenn sie Deutsch beherrschen, und die ÖVP möchte die Sozialversicherungsbeiträge für untere Einkommen reduzieren.
Im Bildungskapitel des ÖVP-Wahlprogramms wird als Kriterium für die Schulreife "das ausreichende Beherrschen der deutschen Sprache" genannt. Kinder, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, sollen in Deutschförderklassen unterrichtet werden, egal wie alt sie sind. Geht der Spracherwerb nicht voran, soll es verpflichtenden Nachmittagsunterricht sowie Sommerkurse geben. Zugleich sollen nach den ÖVP-Plänen mehr gut integrierte Lehrer mit Migrationshintergrund eingesetzt werden. Zur Vermittlung staatlicher Grundwerte ist ab der 5. Schulstufe ein Pflichtfach "Staatskunde" vorgesehen.
Mindest-Bildungs-Standards
Voraussetzung für die Erfüllung der Schulpflicht sind Mindest-Bildungsstandards wie sinnerfassendes Lesen oder die Kenntnisse der Grundrechnungsarten. Das differenzierte Schulsystem sowie das "Erfolgsmodell Gymnasium" will die Volkspartei erhalten. Weitere Eckpunkte des Bildungskapitels: bessere Begabungsförderung durch den Ausbau des Talent-Managements, bessere Unterstützung von benachteiligten Kindern durch Mentorenprogramme, Sommerschulprogramme und mehr Tagesbetreuung, stärkere Vermittlung von digitalen Kompetenzen, verpflichtender Ethikunterricht für alle, die keinen Religionsunterricht besuchen, sowie Bildung für den Umgang mit Geld, damit junge Menschen durch Konsum nicht in die Schuldenfalle geraten. Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr ist für Kinder vorgesehen, die keine oder mangelnde Deutschkenntnisse haben. Bei Problemfällen wie Islamkindergärten sei "konsequentes Handeln" notwendig.
An den Hochschulen sollen flächendeckende Zugangsregelungen eingeführt werden. Darüber hinaus will die ÖVP "Verbindlichkeit durch moderate Studienbeiträge in Kombination mit einem Stipendiensystem zur Erhöhung der sozialen Durchlässigkeit fördern". Zwischen Lehre, Matura und Studium soll es eine höhere Durchlässigkeit geben. Die Forschungsquote soll auf 3,76 Prozent erhöht werden, Österreich im Digitalbereich zum "5G-Pilotland" werden. Die zehn wichtigsten Behördenwege möchte die Volkspartei vollkommen digitalisieren, auch ein "Digitales Bürgerkonto" mit allen behördlichen Online-Profilen ist vorgesehen.
Reduktion des Arbeitslosenversicherungs-Beitrags
Im wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Teil sticht die Ankündigung der Reduktion des Arbeitslosenversicherungs-Beitrags, der Teil der Sozialversicherungsbeiträge ist, für geringe Einkommen hervor. Menschen mit niedrigen Einkommen soll von ihrem Verdienst mehr netto bleiben, heißt es im Wahlprogramm. Derzeit entfällt der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung bis 1.342 Euro. Von 1.342 bis 1.464 Euro wird ein Beitrag von 1 Prozent des Bruttoentgelts eingehoben, bis 1.648 sind es 2 Prozent, darüber 3 Prozent. Laut ÖVP-Plänen soll künftig bis 1.648 Euro keine Arbeitslosenversicherung mehr bezahlt werden, bis 1.798 Euro soll 1 Prozent eingehoben werden, bis 1.948 Euro 2 Prozent, darüber 3 Prozent. Dies Maßnahme soll 200 bis 250 Millionen Euro pro Jahr kosten und den unteren Einkommen ein Entlastung von bis zu einigen hundert Euro im Jahr bringen, hieß es dazu auf APA-Nachfrage.
Darüber hinaus sind im zweiten Teil der ÖVP-Wahlprogramm-Trilogie bereits bekannte Vorschläge zum Bürokratieabbau angeführt: Gesetze mit Ablaufdatum, eine Neuaufstellung des Arbeitsinspektorats unter dem Motto "Beraten statt Strafen" oder die Verkürzung der Verfahren bei großen Infrastrukturprojekten. Pflichtveröffentlichungen im Amtsblatt der "Wiener Zeitung" sollen durch eine kostenlose Online-Lösung ersetzt werden. Unternehmensgründungen will die ÖVP vereinfachen. GmbH-Gründungen sollen etwa ohne Einlage von Stammkapital möglich sein, die Mindest-KöSt abgeschafft, ein One-Stop-Shop-Prinzip installiert und das Gewerberecht modernisiert werden.