Das koalitionsinterne Hick-Hack um die Pflege geht auch im neuen Jahr unermüdlich weiter. Buchinger schloss sogar einen Bruch der Koaltion nicht aus.
Sozialminister Erwin Buchinger (S) bezeichnete die ÖVP als "nicht paktfähig". Die ÖVP warf dem Minister vor, dass bei ihm die Nerven blank lägen und Vizekanzler Wilhelm Molterer bot als "Kompromiss" an, die Pflege-Amnestie nicht wie ursprünglich gefordert um ein Jahr, sondern nur um sechs Monate zu verlängern. Das wiederum lehnte Buchinger ab. Die Reaktionen der Opposition reichten von der Androhung von Misstrauensanträgen bis zur Forderung nach Neuwahlen.
ÖVP greift Buchinger scharf an
Auf die Kritik Buchingers
reagierte die ÖVP mit Gegenattacken. Parteichef Molterer sagte, der
Sozialminister müsse "sehr aufpassen", er habe in er Pflegefrage "sehr viel
versäumt". Und Generalsekretär Missethon sah bei Buchinger die Nerven
blankliegen, weil er langsam erkenne, dass er gemeinsam mit Bundeskanzler
Alfred Gusenbauer (S) die Menschen in eine "ganz schwierige Situation"
gebracht habe. Sein SPÖ-Kollege Josef Kalina wiederum appellierte an die
Koalitionspartner einzusehen, dass das ganze "kein Pokerspiel" sei. Er
verwies ebenso wie Buchinger darauf, dass die ÖVP die Pflege-Regelung
mitbeschlossen habe.
Amnestieverlängerung wieder abgelehnt
Als Kompromiss bot
Molterer nun an, die mit Jahresbeginn ausgelaufene Amnestieregelung für
illegale Pflegekräfte nicht wie ursprünglich gefordert um zwölf sondern nur
um sechs Monate zu verlängern. Diese Zeit sollte für eine "offensive
Information" genutzt werden. Dem erteilte der Sozialminister wieder eine
klare Absage. "Wo ist da der Kompromiss", fragte er und forderte: "Die ÖVP
soll informieren statt zu diffamieren."
Ermahnungen statt Strafen
Keineswegs einheitlich sehen offenbar
auch die Behörden jetzt die Frage möglicher Strafen im Fall der
Beschäftigung illegaler Pflegekräfte. Der Landesamtsdirektor in Vorarlberg,
Johannes Müller, hat alle Bezirkshauptleute darauf hingewiesen, vorerst
zurückhaltend mit Strafen zu sein und in jedem Einzelfall zu prüfen, ob
Ermahnungen statt Strafen ausreichen. Auch Rainhold Mair, Bezirkshauptmann
von Salzburg-Umgebung, wird zwar jeder Anzeige nachgehen, aber auch sehr
genau prüfen, ob wirklich eine Strafe verhängt werden muss.
Unterschiedlich sehen auch die Gebietskrankenkassen die Frage der Rückforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Der Obmann der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, Gerhard Hutter, will bei einer anonymen Anzeige schriftlich Kontakt mit dem Betroffenen aufnehmen und informieren. Der Obmann der steirischen Gebietskrankenkasse, Josef Pesserl, betonte hingegen, dass die Sozialversicherung Beiträge einzufordern habe, wenn sie nicht gezahlt worden seien.
Scharfe Kritik der Opposition
Für die Opposition bietet diese
Situation naturgemäß mehr als genug Angriffsflächen. Die FPÖ drohte mit
Misstrauensanträgen gegen die Minister Buchinger und Martin Bartenstein (V).
Die Grünen meinten, dass sich eigentlich die gesamten Regierung das
Misstrauen verdient hätte und forderten einen Pflegegipfel, um ein
umfassendes Pflegekonzept zu erarbeiten. Noch einen Schritt weiter ging das
BZÖ mit der Forderung nach Neuwahlen. Einig waren sich Blaue und Orange
darin, dass SPÖ und ÖVP freie Mehrheitsbildungen im Parlament zulassen
sollten, um eine Pflegelösung zu ermöglichen.