Weltpolitik

Finnland und Schweden auf dem Sprung in die NATO

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Finnland und Schweden haben bislang großen Wert darauf gelegt, militärisch neutral zu bleiben.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat dies grundlegend verändert. Beide skandinavischen Länder erwägen nun einen Beitritt zur NATO. Finnland will einem Zeitungsbericht zufolge schon am 12. Mai seine Aufnahme in das transatlantische Verteidigungsbündnis beantragen. Auch im schwedischen Parlament gibt es eine Mehrheit für einen solchen Schritt.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat schon vorauseilend erklärt, dass ein Beitrittsantrag beider Länder schnell und mit positivem Ausgang geprüft werden würde. Ein Beitritt der beiden Staaten zum Bündnis wäre strategisch von großer Bedeutung. Russland hat deshalb bereits "ernsthafte Konsequenzen" für den Fall angekündigt.

Dann würden russische Streitkräfte an Land, zu Wasser und in der Luft gestärkt und womöglich Nuklearwaffen in der Region stationiert werden - wobei es Hinweise gibt, dass Russland solche Waffen bereits in die Exklave Kaliningrad verbracht hat. Der Regierung in Moskau ist sehr wohl bewusst, dass ein Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO die strategischen Verhältnisse im Gebiet der Ostsee nennenswert verschieben würden.

Vor allem die baltischen Staaten, die als Schwachpunkte der NATO gelten, wären gestärkt. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis hatte unlängst bei einer Pressekonferenz mit seiner deutschen Kollegin Annalena Baerbock auf die Bedeutung eines Beitritts der beiden Ostsee-Anrainer hingewiesen. Mit Schweden und Finnland als NATO-Staaten könne das Binnenmeer weit besser gesichert werden, sagte er und verwies dabei auf vor allem für die Balten wichtige Handelsrouten zur See. Bei der Versorgung etwa mit Flüssiggas sei die Ostsee die wichtigste Route. Dies wird immer wichtiger, da auch die Balten möglichst schnell unabhängig werden wollen von russischen Energieträgern.

Estland, Lettland und Litauen sind geografisch in einer sensiblen Lage. Litauen grenzt als südlichste der baltischen Republiken an die russische Exklave Kaliningrad. Hier befindet sich auch die sogenannte Suwalki-Lücke, die als Achillesferse der NATO gilt. Litauen und damit das gesamte Baltikum sind lediglich durch einem 65 Kilometer breiten Korridor mit dem NATO-Staat Polen verbunden.

Westlich davon liegt Kaliningrad, östlich der russische Verbündete Belarus. Finnland wiederum hat eine rund 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland und würde als NATO-Mitglied das Kräfteverhältnis in der Region massiv verändern. Die Halbinsel Kola ist für Russland von strategischer Bedeutung für die nationale Sicherheit, hier ist auch die russische Nordmeerflotte stationiert - und Sankt Petersburg liegt nur rund 170 Kilometer von der finnischen Grenze entfernt.

Eine Entscheidung über ein Beitrittsgesuch wird in den nächsten Tagen erwartet. Laut der finnischen Zeitung "Iltalehti" wird Präsident Sauli Niinisto am 12. Mai offiziell verkünden, dass er einen NATO-Beitritt seines Landes begrüßen würde. Im Anschluss sollen dies die Fraktionen im Parlament in Helsinki bestätigen. Im schwedischen Parlament läuft derzeit eine Überprüfung der Sicherheitspolitik, das Für und Wider eines NATO-Beitritts wird dabei abgewogen. Am 13. Mai sollen die Ergebnisse vorgelegt werden.

Die Sozialdemokraten, seit 100 Jahren stärkste politische Kraft in Schweden, wollen vom 9. bis 12. Mai über ihre Haltung beraten. Bislang war ein NATO-Beitritt für sie ein Tabu. Die Parteiführung will bis spätestens 24. Mai entscheiden. Beobachter halten es aber für sehr wahrscheinlich, dass Schweden folgen wird, wenn sich Finnland für eine Mitgliedschaft in der Allianz bewirbt. Andernfalls wäre das Land das einzige im Nordwesten Europas, das nicht zur NATO gehören würde. Norwegen, Dänemark und Island sind Gründungsmitglieder der Allianz. Jüngsten Umfragen zufolge ist eine Mehrheit der Schweden für den Beitritt - was vor der russischen Invasion in die Ukraine nie der Fall gewesen war.

Unter Dach und Fach gebracht werden könnte der Beitritt bereits auf dem NATO-Gipfel am 29. und 30. Juni in Madrid. Die Regierungen in Helsinki und Stockholm wollen dafür allerdings die Garantie, dass die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des NATO-Vertrags bereits während der Übergangsphase bis zur Vollmitgliedschaft Anwendung findet.

Die Ratifizierung der Erweiterung könnte bis zu ein Jahr dauern, da die Parlamente der gegenwärtig 30 NATO-Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Nach einem Bericht der schwedischen Zeitung "Aftonbladet" haben die USA und Großbritannien den beiden Nordländern bereits eine "verstärkte militärische Präsenz" der NATO-Staaten zugesagt.

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