Das Kommentar-Duell:

Wie wichtig ist es, den Fall Ibiza aufzuklären?

10.12.2019

Pro & Contra von ÖSTERREICH-Chefredakteur Werner Schima und  oe24.at- & oe24.TV-Chefredakteur Richard Schmitt. 

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Richard Schmitt: "Wer damit einmal Erfolg hatte, macht das wieder"

© TZOe Artner

Natürlich ist das in der Finca im Sommer 2017 von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus Gesagte wichtig. Essenziell wichtig, weil wir damit dokumentiert sahen, wie (einige) Politiker sprechen, wenn sie sich absolut unbeobachtet fühlen. Die zwei FPÖ-Politiker bekamen für ihr Handeln die Höchststrafe: Absturz in die politische Bedeutungslosigkeit, inklusive schwerer persönlicher und auch wirtschaftlicher Probleme.
 

Gut vernetzte Bande, Kripo-Spitzel inklusive

 
Die Aktion auf Ibiza war aber keine "Notwehr" gegen einen Tyrannen -Strache war damals weit weg von jeder Regierungsfunktion.
 
Vielmehr sahen wir eine kriminelle Handlung, die das demokratisch legitimierte politische System ausgehebelt hat. Wir wissen bereits sehr viel von den mindestens neun Tätern, die den Lauschangriff, den Betrug, die Täuschung und die Dokumentenfälschung durchgezogen haben. Und die das alles nicht aus purer Anständigkeit, sondern aus Gier und Geldnot betrieben haben - nicht ganz zufällig fanden Ermittler bei einem der Haupttäter dieser "feinen" Wiener Clique neben der Handtasche seiner Freundin auch Kokain.
 

Wem war das Video 600.000 € in Gold wert?

 
Die These von den "einfachen Kriminellen", die "schnell zu Geld wollten", ist ganz gut, doch dabei bleiben  zu viele Fragen offen:
 

Wer bezahlte die Täter mit 600.000 Euro in Gold?

 
Wer fälschte den Reisepass der "Oligarchin"? Doch nicht Detektiv H., einer der Drahtzieher, in seiner Küche?
 
Und warum sind mehrere Verdächtige auch als V-Leute der Exekutive tätig?
 

Restlose Aufklärung schreckt neue Täter ab

 
Dem Verfassungsschutz in Deutschland ist es jedenfalls sehr wichtig, die Hintergründe zu kennen. Ein Insider im BND erklärte dazu ÖSTERREICH: "Wer damit einmal Erfolg hat, der macht das wieder." Auch in Berlin gäbe es Spitzenpolitiker, die mit Videos erpressbar wären.
 
Zu hoffen ist, dass jetzt die "Soko Ibiza" über die kleinen Ganoven und ihre Glamour-Ladys zu den Auftraggebern kommen. Und das ist wichtig: Denn noch immer soll eine Wahl und nicht eine Einzelperson, ein reicher "Video-Producer", über unsere Regierung entscheiden.
 

Werner Schima: »Wer die Hintermänner sind, ist letztendlich powidl«

© TZOe Artner

Die Aufregung ist nach wie vor groß um die Urheberschaft des Ibiza-Videos. Wer steckt wirklich dahinter? Wo sind die wahren Hintermänner? Wie viele Videos gibt es tatsächlich? Wer ist die ominöse Oligarchennichte. Und warum sitzt sie noch immer nicht hinter Schloss und Riegel?

Das Kalkül der Ober-Aufgeregten scheint aufzugehen. Im Schatten dieses Krimis mit zugegebenermaßen beträchtlichem Unterhaltungswert bleibt der wahre Skandal auf der Strecke. Nämlich, WAS auf Ibiza passiert ist, und nicht das WIE.

Auf Ibiza sind Gesinnung und Geisteshaltung eines Mannes entlarvt worden, der kurze Zeit später Vizekanzler dieser Republik wurde. Das Video hat nicht mehr und nicht weniger zutage gefördert als die Erkenntnis, dass dieser Mann für ein hohes politisches Amt nicht geeignet ist. Moralisch und intellektuell. Das Ausmaß an Größenwahn, Anmaßung und Blödheit, das sich im Laufe dieser "b'soffenen G'schicht" offenbart hat, war überwältigend. Die Erinnerung daran verblasst, dass sich das damals künftig zweithöchste Regierungsmitglied eine Zeitung kaufen, unliebsame Journalisten rauswerfen und die öffentliche Meinung manipulieren wollte, und dass dieser Herr angeboten hat, staatliche Aufträge freihändig zu vergeben.

Dies scheint mit der Zeit zunehmend in Vergessenheit zu geraten. Die Beschäftigung mit schönen Maklerinnen, dubiosen Anwälten, Leibwächtern und sonstigen Spießgesellen verstellt den Blick auf das Wesentliche.

Wer und warum dieses auf Video festgehaltene Schauspiel zu verantworten hat, ist zweitrangig. Sicher: Strafrechtlich Relevantes muss, soweit vorhanden, aufgeklärt werden. Doch der Rest ist ziemlich powidl.

Eh ich's übersehe: Zwei positive Seiten hat die Beschäftigung mit der Entstehung des Videos dann doch:

Zum einen wird offenkundig, dass hier eine recht halbseidene Partie am Werk war. Die Verschwörungstheorie, ein düsteres politisches Komplott hätte den Vertreter der Anständigen und Tüchtigen mit perfiden Methoden zu Fall gebracht, ist hinfällig.

Und zweitens hätte es natürlich sein Gutes, wenn die Identität der Oligarchennichte bekannt würde. Dann könnte ihr endlich nachträglich der Ehren-Nestroypreis verliehen werden.

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