Brauner sieht "maßvolle Konsolidierung" und will an Stabilitätspakt rütteln.
Bei sommerlichem Wetter und gut gefüllten Abgeordneten- und Zuschauerrängen hat am Montag die Rechnungsabschlussdebatte im Wiener Gemeinderat begonnen. Traditionell wurde sie mit einer Rede von Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) eröffnet, die nicht nur den Budgetvollzug des Jahres 2013 darlegte, sondern auch erneut für ein Nebeneinander von Investitionen und Sparvorgaben plädierte.
Die Ergebnisse des 400 Seiten starken Rechnungsabschlusses wertete Brauner als Erfolg eines "Kurs der maßvollen Konsolidierung". Denn streng nach ihrem Mantra "Sparen und investieren!" gelte es, intelligent und strukturell zu sparen, aber gleichzeitig auch in Wachstum zu investieren. Im Jahr 2013 konnte Wien 84 Prozent seiner Investitionen aus dem laufenden Budget decken, für 16 Prozent musste auf eine Nettoneuverschuldung zurückgegriffen werden.
Das könnte ab 2016 Probleme machen, denn ab diesem Zeitpunkt erlaubt der Stabilitätspakt keine Neuverschuldung mehr. "Statt eine Rekordverschuldung zu erfinden und die Menschen zu verunsichern, wäre es wichtiger, gemeinsam eine Debatte zu führen und konstruktive Vorschläge zu erarbeiten, wie wir unsere Lebensqualität unter diesen strengen Rahmenbedingungen finanzieren", richtete Brauner einen Appell an die Opposition. Sie sprach sich auch erneut für eine Änderung der Kriterien des Stabilitätspaktes auf EU-Ebene aus.
Geht es nach Brauner, sollen in Zukunft nachhaltige Investitionen wie etwa in Bildung aus dem Regelwerk ausgenommen werden. Sonst werde man vermehrt auf PPP-Modelle zurückgreifen müssen: "Ich bekenne mich zu einem mittelfristig ausgeglichenen Haushalt, aber es ist unvernünftig, Investitionen, die Werte schaffen, aus dem laufenden Budget zu finanzieren."
Insgesamt hat Wien im Jahr 2013 12,471 Milliarden Euro ausgegeben sowie Einnahmen in der gleichen Höhe erzielt. Das Maastricht-Ergebnis erreichte mit einem Minussaldo von 135,04 Mio. Euro die Vorgaben des innerösterreichischen Stabilitätspaktes. Der Schuldenstand erhöhte sich um 285 Millionen Euro auf insgesamt 4,635 Milliarden Euro - ein neuer Höchststand, auch wenn die Neuverschuldung im Vergleich zu 2012 zurückgegangen ist. Wien stehe wirtschaftlich derzeit auf "grundsoliden Beinen", betonte die Finanzchefin der Stadt.
Die Wiener Opposition ließ kein gutes Haar am Rechnungsabschluss. Die ÖVP fühlte sich sogar an einen Filmerfolg aus den späten 1990er-Jahren erinnert: Brauner agiere wie in der "Truman Show", nämlich in einer "bizarren Scheinwelt", befand VP-Chef Manfred Juraczka.
Denn die Schulden seien seit 2008 - dem ersten Jahr, in dem Brauner voll für das Budget verantwortlich gewesen sei - um 318 Prozent angestiegen. Andere Städte hätten anders agiert, etwa München, in dem in der selben Zeit die Schulden abgebaut worden seien. "Und das unter einer rot-grünen Stadtregierung", wie Juraczka hinzufügte. In Wien gebe es hingegen keinen Willen zur Budgetkonsolidierung.
Nach Ansicht von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus steigert sich Finanz-Ressortchefin Brauner jedes Jahr - nämlich dabei, die "Untaten" der rot-grünen Stadtregierung unter den Tisch zu kehren: "Sie haben ganz ausgeblendet, wie es immer mehr Wienerinnen und Wienern aufgrund ihrer fehlgeschlagenen Politik geht. Sie haben zum Beispiel ganz ausgeklammert, wie viele aufgrund der Ostöffnung vom Arbeitsmarkt verdrängt worden sind."
Brauner sei im besten Fall "betriebsblind", so Gudenus. Die Gebühren würden erhöht, die Schulden aber auch. Wenn in Wien effizient gespart würde, wären auch mehr Mittel vorhanden, um effizient zu investieren, zeigte er sich überzeugt. Schlimm sei jedoch, dass im aktuellen Budget erneut zusätzliche Schulden vorgesehen seien. Die Empfehlung des FPÖ-Politikers an die SPÖ-Politikerin: "Treten Sie zurück!"
Dafür sah der Klubobmann der Wiener Grünen, David Ellensohn, keinen Anlass: Die Rede der Finanzchefin habe gezeigt, dass ihr Wien am Herzen liege. Der Grün-Politiker verwies auch auf gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPÖ umgesetzte Projekte, etwa im Verkehrs-oder Energiebereich. Investitionen der öffentlichen Hand seien wichtig: "Denn es ist die Frage, ob es intelligent ist, alles kaputt zu sparen, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern."
"Wir müssen investieren, weil öffentliche Leistungen nicht gekürzt werden sollen", betonte SPÖ-Klubchef Rudolf Schicker. Wien sei eine gut verwaltete und weltoffene Großstadt. Zum Vergleich mit München meinte er: "Fragen Sie einen Familienvater oder eine alleinerziehende Mutter, wie sie in München zu einer Wohnung kommen." Viele könnten sich dort eine Wohnung nur mehr im Umland leisten. Wien hingegen gebe die Wohnbauförderung für alle jene aus, die sie bräuchten.