Reformen nötig

Wifo kritisiert Sparpläne der Regierung

04.06.2010

Wifo-Chef Karl Aiginger schlägt jetzt einen "nationalen Zukunftspakt" vor.

Zur Vollversion des Artikels
© APA
Zur Vollversion des Artikels

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Karl Aiginger, schlägt einen "nationalen Zukunftspakt" zur Bewältigung der Sparpakete und Strukturreformen vor. Dazu müsse man Bund, Länder, Gemeinden und Sozialpartner bis zum Herbst an einen Tisch bringen. "Wenn jeder sein Klientel verteidigt und sein Revier, dann geht das nicht zusammen", warnte Aiginger am Freitag. Er fordert Einsparungen bei Förderungen und Doppelgleisigkeiten und kritisiert die von der Regierung geplanten Kürzungen bei Bildung und Wissenschaft als "viel zu stark".

Verwaltungsreform
Aiginger verweist auf die mangelnden Fortschritte bei der Verwaltungsreform und fordert die Regierung auf, einen Verhandlungsprozess vorzubereiten, wo alle Länder und Sozialpartner einbezogen werden. "Es gibt die Möglichkeit, so weiterzuwursteln wie bisher - dann wird unintelligent gespart, das kostet Arbeitsplätze und dann gibt's kein Geld für die Zukunft", warnt der Wirtschaftsforscher. Derzeit seien bei der Verwaltungsreform nur zwei Länder beteiligt (Wien und Niederösterreich, Anm.) "und die nehmen fast immer eine ablehnende Haltung ein".

Reformen nötig
Nach Ansicht des Wifo-Chefs könnten bis zu vier Mrd. Euro durch Reformen eingespart werden - etwa durch ein neues Haushaltsrecht der Länder, durch Verzicht auf unnötige Infrastrukturprojekte wie den Koralmtunnel oder im Spitalsbereich. "Allein wenn ich die Rechnungshofberichte der letzten drei Jahre zusammennehme, komme sich sicher auf Kürzungsvorschläge von zwei Mrd. Euro", so Aiginger. Außerdem seien höhere Vermögenssteuern, eine Ökologisierung des Steuersystems und niedrigere Abgaben auf Arbeit nötig.

Sparpläne der Regierung
Kritik übt Aiginger an den Sparplänen der Regierung, weil dadurch bis 2012 auch die Ausgaben für Unterricht (von 7,66 auf 7,61 Mrd. Euro) sowie für Wissenschaft und Forschung (von 3,74 auf 3,68 Mrd. Euro) zurückgefahren werden sollen. "Das ist viel zu viel", betont der Wirtschaftsforscher. "Ein neues Schulsystem ist mit nominell sinkenden Investitionen nicht erreichbar, die 3,7 Prozent Forschungsquote ist mit nominell sinkenden Investitionen nicht erreichbar." Vielmehr wäre hier ein weiterer Anstieg der Ausgaben um fünf Prozent nötig.

Von der Arbeit der im Vorjahr eingesetzten Verwaltungsreform-Arbeitsgruppe ist Aiginger - selbst Mitglied der Expertengruppe - ernüchtert: "Wir sagen, was gemacht werden kann, das Finanzministerium ist meistens dafür und die Länder sagen dann, dass das schon gemacht wurde, dass das nicht geht oder dass sie es anders machen wollen." De facto gehe nichts weiter, zumal die Vertreter aus Wien und Niederösterreich nicht für die anderen Länder sprechen würden. Es müsse den Ländern endlich klar gemacht werden, dass auch sie von Reformen profitieren.

Zukunftspakt
Daher brauche es nun einen neuen Prozess, in dem alle Länder und Sozialpartner mit am Tisch sitzen, fordert Aiginger einen "nationalen Zukunftspakt". Als Vorbild könnten die Preis- und Lohnabkommen der Nachkriegszeit, die Hartwährungspolitik der 1980er und die Budgetkonsolidierung der 1990er Jahre dienen. Der "Zukunftspakt" sollte über den Sommer von der Regierung vorbereitet und im Herbst gestartet werden, meint Aiginger: "Da sind dann auch die wichtigsten Landtagswahlen vorbei, dann haben wir zwei Jahre Pause auf politischer Ebene."

Wichtig sei aber die Vorbereitung: "Es muss jeder schon jetzt schauen, wo er nachgeben kann." So könnten die Sozialpartner beispielsweise ein früheres Auslaufen der Hacklerregelung im Abtausch für mehr Investitionen in die Weiterbildung der Arbeitskräfte vereinbaren. Auch der Bund werde in vielen Bereichen nachgeben müssen: "Das reine Beschimpfen der Länder ist es auch nicht. Das führt zu Situationen, wo sie nur 'Nein' sagen."

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel