Das grüne Urgestein Peter Pilz wirft im ÖSTERREICH-Interview einen kritischen Blick auf seine eigene Partei.
Für Peter Pilz war das Wahldebakel der Grünen vorhersehbar und begann Anfang des Jahres: Denn für das Gründungsmitglied Pilz war es unverständlich, dass ein weiterer Grande, Johannes Voggenhuber, nachdem er als Spitzenkandidat für die EU-Wahl ausgebootet worden war, vom letzten Listenplatz aus keinen Vorzugsstimmen-Wahlkampf mehr führen durfte: Für Pilz ein „schwerer Fehler“ der Parteiführung – für den er zwischen den Zeilen auch Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek verantwortlich macht.
''Einzige Alternative zu rechts''
Die Partei müsse Querdenker
wieder zulassen, kritisiert Pilz. Solche Menschen müssten sich wieder
angesprochen fühlen. Und: Die Grünen müssen auch umdenken, die „Lebensfragen
der Menschen“ ansprechen, dazu gehören auch Themen wie Sicherheit und
Kriminalität. Dann, so Pilz, werde die Partei wieder „mit grünen Antworten“
punkten können. „Denn wir sind die einzige Alternative zu rechts. Ab jetzt
geht es vorwärts!“
ÖSTERREICH: Teilen Sie Voggenhubers Kritik am EU-Wahlkampf?
Peter
Pilz: Um Johannes Voggenhuber tut es mir außerordentlich leid. Aber ich
bin froh, dass sich die große Befürchtung vieler Außenstehender, dass die
Grünen ihren EU-Kurs ändern und wie Werner Faymann zu wackeln beginnen,
nicht bewahrheitet hat. Dennoch hätte ich mir einen besseren Wahlkampf
gewünscht.
ÖSTERREICH: Wie konkret?
Pilz: Einen
Wahlkampf, der die Lebensfragen der Menschen besser anspricht. Wir Grüne
sind die Einzigen, die verstanden haben, worum es geht. Wir leben in einer
Zeit, die für Grüne noch nie so günstig war. Die Zukunft der
Energieversorgung, die Zukunft des Klimas, die Zukunft des Bildungs- und des
Sozialstaates, das sind grüne Themen – und da funktionieren nur die grünen
Antworten.
ÖSTERREICH: Hat die Niederlage auch mit
Spitzenkandidatin Lunacek zu tun?
Pilz: Die Spitzenkandidatin
hat sich klar entschieden, dass sie nicht das Projekt Stimmenmaximierung
durch Vorzugsstimmen verfolgt, sondern eine Wahl ohne Voggenhuber. Mehr
möchte ich dazu wirklich nicht sagen.
ÖSTERREICH: Das
Thema Sicherheit wurde auch kaum aufgegriffen.
Pilz: Das
kommt noch dazu. Das Thema Sicherheit ist eine der Lebensfragen der
Menschen, die Grünen müssen auch eine Sicherheitspartei sein.
ÖSTERREICH:
Fehlt den Grünen die Personaldecke?
Pilz: Ja,
selbstverständlich brauchen wir neue Leute. Je mehr spannende, kreative,
neue Leute sich bei uns engagieren, um so besser ist es für uns. Wir waren
immer eine Partei der Querdenker und der Querköpfe. Wenn aber in dieser
Partei kein Platz mehr für Menschen wie Voggenhuber ist, denken viele: „In
dieser Partei ist kein Platz für mich.“
ÖSTERREICH:
Laut Voggenhuber ist seit Van der Bellen kein Platz mehr für Querdenker.
Pilz:
Bei Van der Bellen war die Gefahr nie da. Er hat sich immer der Diskussion
gestellt. Aber wir waren immer anders als die anderen Parteien. Wir Grüne
müssen immer die offenste Partei sein. Ich hoffe, wir haben uns das letzte
Mal vor einem Vorzugsstimmenwahlkampf gefürchtet.
ÖSTERREICH:
Und seit Eva Glawischnig ist das anders?
Pilz: Mit
Glawischnig haben wir begonnen, den Kurs der Grünen zu ändern, hin zu einer
Gerechtigkeitspartei, zu einem verschärften Oppositionskurs. Es dauert eine
Zeit, bis sich diese Handschrift durchsetzt.
ÖSTERREICH: Keine
Kritik an Glawischnig?
Pilz: Eva hat eine ähnlich schwierige
Position wie Van der Bellen vor zehn Jahren. Aber sie macht das gut. Die
Entscheidungen um Voggenhuber vor der EU-Wahl halte ich allerdings für einen
schweren Fehler.
ÖSTERREICH: Soll Voggenhuber wieder
aktiv werden?
Pilz: Für mich ist Voggenhuber noch bei den
Grünen. Und ich hoffe, dass er wieder zurückkommt. Das hängt auch von ihm ab.
ÖSTERREICH:
Der kommende Wiener Wahlkampf wird blutig werden. Wie wollen sich die
Grünen da behaupten?
Pilz: Die entscheidende Frage ist
auch in Wien: Wer ist die Alternative zu rechts? Die ÖVP schützt Martin
Graf. Die SPÖ folgt der ÖVP. Nur wir können die Alternative sein – Grün
statt rechts.
ÖSTERREICH: Die Wiener Grünen-Chefin Marie
Vassilakou ist nicht unumstritten. Trauen Sie ihr diese Aufgabe überhaupt zu?
Pilz:
Selbstverständlich, weil sie in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von HC
Strache ist.
ÖSTERREICH: Und damit wollen Sie wieder
Wähler und die Basis mobilisieren?
Pilz: Natürlich, wir
müssen wieder von einer kommentierenden zu einer mobilisierenden Partei
werden. Wir können mindestens so scharf sein wie die FPÖ, ohne aber gehässig
zu sein. Das ist das letzte Interview, das ich mit dem Blick in den
Rückspiegel gebe. Weil es eine Alternative zu rechts geben muss, und nur wir
das sein können. Ab jetzt geht es vorwärts.
Autor: Stefan Knoll