Kanzler Faymann:
"Wir nehmen die Abhöraffäre äußerst ernst"
26.10.2013
US-Botschafterin droht Rapport in Wien: Bundeskanzler Faymann im ÖSTERREICH-Interview.
ÖSTERREICH: Angela Merkel und 35 weitere Staatschefs sollen durch die NSA abgehört worden sein. Sie auch?
Werner Faymann: Aktuell habe ich dafür keine Anhaltspunkte.
ÖSTERREICH: Sie haben Frau Merkel beim EU-Gipfel getroffen. Wie verärgert wirkt sie denn über die Abhöraktion?
Faymann: Sie hat diese Frage sehr ernst genommen, so wie alle anderen Gipfelteilnehmer auch. Ein Angriff auf die Privatsphäre ist kein Kavaliersdelikt. Jede Art der Verletzung der Privatsphäre ist inakzeptabel – bei Regierungschefs genauso wie bei jedem einzelnen Bürger.
ÖSTERREICH: Wurde der Gipfel von dieser Affäre überschattet?
Faymann: Wir haben das sehr intensiv diskutiert. Das war auch richtig und wichtig.
ÖSTERREICH: Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande wollen das Thema mit den USA klären. Und die übrige EU?
Faymann: Die EU-Staats- und Regierungschefs unterstützen diese Initiative von Merkel und Hollande, mit den USA diese Vorwürfe bis Dezember aufzuklären. Wir wollen zu einer gemeinsamen Vorgangsweise kommen.
ÖSTERREICH: Wie sehen Sie diese mögliche Abhöraktion von 35 Staatschefs durch die NSA denn persönlich?
Faymann: Es ist nötig, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den USA und Europa wiederhergestellt wird. Die Vorwürfe können nicht unaufgeklärt bleiben. Das muss das Interesse beider Seiten sein.
ÖSTERREICH: Deutschland hat den US-Botschafter in Berlin einbestellt. Sollte Österreich auch den US-Botschafter einbestellen?
Faymann: Ich berate mit dem Außenminister, wie wir vorgehen. Wichtig ist mir, dass es europäisch akkordiert ist und mit entsprechender Härte passiert.
ÖSTERREICH: Beim EU-Gipfel ging es auch um EU-Flüchtlingspolitik und die tragischen Todesfälle vor Lampedusa. Ist das nicht eine Schande für Europa?
Faymann: Es kann keinem egal sein, wenn es zu so erschütternden Vorfällen kommt. Europa kann da nicht tatenlos zusehen. Deshalb war es wichtig, im Kreis der Regierungschefs darüber zu beraten.