Wien
Wirbel um kleineres Parlament
21.02.2012
Van der Bellen gegen Sparpaket - Abgeordnete fürchten um wirksame Kontrolle.
Es ist ein Langzeitprojekt – ob es die Koalitionschefs durchbekommen, ist aber mehr als fraglich. Im Zuge des Sparpakets haben sich SPÖ und ÖVP darauf verständigt, die Zahl der Nationalräte von 183 auf 165 zu kürzen. Wie der Politologe Hubert Sickinger schätzt, bringt das dem Budget rund vier bis fünf Millionen Euro. Dabei spart sich der Staat nicht nur die Gagen der 15 Nationalräte (8.000 € im Monat), sondern auch die Kosten für Mitarbeiter und Fördergelder für die Parlamentsklubs.
Allein: Die Sache ist im Parlament natürlich umstritten. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) wies schon vor einigen Wochen in ÖSTERREICH darauf hin, dass eine Kürzung der Abgeordneten ohne Änderung des Wahlrechts kaum denkbar sei – und dafür braucht man eine Zweidrittelmehrheit und damit eine Oppositionspartei.
Auch Strache ist gegen kleineres Parlament
Tatsächlich leisten vor allem die Grünen Widerstand: Im Interview mit ÖSTERREICH spricht Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen Klartext: Er wirft den Koalitionsparteien vor, das Parlament schwächen zu wollen: „Die Regierung will nicht, dass es eine wirksame Kontrolle gibt. Das ist eine wirklich große Dummheit.“ Und – der Grüne glaubt nicht, dass der Plan durchsetzbar ist: „Ich glaube, das wird eine politische Totgeburt.“
Auch die FPÖ von Heinz-Christian Strache ist übrigens gegen eine Verkleinerung des Nationalrates: „Wir vermuten, dass sich SPÖ und ÖVP die Wahlkreise so zurechtbiegen, dass sie einfacher zu Mehrheiten kommen.“ Tatsächlich ist nur das BZÖ für ein kleineres Parlament – konkret für 100 Nationalräte.
ÖSTERREICH: Sie ärgern sich, dass die Regierung eine Verkleinerung des Nationalrats auf 165 plant.
Alexander Van der Bellen: Ja, weil es nicht um Einsparungen geht, sondern darum, das Parlament zu schwächen. Ein Parlament, bei dessen Ausstattung einem die Tränen kommen, wenn man es mit dem deutschen Bundestag vergleicht. Aber die Regierung will nicht, dass es eine wirksame Kontrolle gibt. Das ist eine wirklich große Dummheit.
ÖSTERREICH: Das Argument lautet, die Politik soll auch bei sich sparen.
Van der Bellen: Das tun wir seit Jahren, indem wir auf die Gehaltserhöhungen verzichten. Wir kommen in eine Situation, in der es sich keiner mehr antun wird, Politiker zu werden.
ÖSTERREICH: Glauben Sie, dass es der Koalition gelingt, die Verkleinerung durchzuziehen?
Van der Bellen: Nein, ich glaube, das wird eine politische Totgeburt. Die Reduzierung im Nationalrat bringt alles in allem maximal fünf Millionen Euro: Das ist doch angesichts von Bundesausgaben in Höhe von 73,5 Milliarden Euro einfach lächerlich.