SPÖ-Vorstoß

Wird "lebenslang" abgeschafft?

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Die SPÖ präsentiert einen Entwurf für ein neues Justizprogramm. ÖVP winkt ab.

Die SPÖ diskutiert ein neues Justizprogramm, das neben einigen Dauerbrennern auch eine Reihe von Tabubrüchen enthält. So sieht das neue Programm auch die Forderung nach dem Ende der lebenslangen Freiheitsstrafe und einer weitgehenden Entkriminalisierung von Drogen-Delikten vor. Jarolim selbst meinte dazu, dieser Punkt wäre in der Partei wohl erst "nach einem längeren Diskurs" mehrheitsfähig.

Sicherheitsverwahrung statt Lebenslang
Der anwesende Linzer Strafrechts-Professor Alois Birklbauer begründete die Forderung nach dem Ende von "Lebenslang" mit der dann weiterhin möglichen Sicherheitsverwahrung. In diesem Fall würde die maximale Haftdauer 20 Jahre betragen. Im Anschluss könnte bei entsprechender Gefährlichkeit des Täters ein bis zu lebenslanger Maßnahmenvollzug verhängt werden. Hier sollte aber deutlich gemacht werden, dass es sich nicht um "geistig abnorme Rechtsbrecher" handelt, sondern um "psychisch Kranke". Auch das will die SPÖ gesetzlich klarstellen.

Entkriminalisierung von Drogen-Delikten
Weitgehend entkriminalisieren möchte Jarolim Drogendelikte. Strafrechtlich verfolgt werden sollte nur noch "Suchtgifthandel in größerem Ausmaß" - also etwa der Handel mit großen Mengen sowie die Weitergabe von Drogen an Jugendliche. Erwerb und Besitz von Drogen zum eigenen Gebrauch soll jedoch nicht mehr strafrechtlich relevant sein. Zudem soll ein "gesundheitspolitisch ausgerichtetes Kontrollsystem" mit Verwaltungsstrafbestimmungen aufgezogen werden.

Jarolim: "An die Grenzen gehen"
Jarolim hält die derzeitige Situation in der Drogenpolitik für "unpraktikabel" und plädiert für eine "rationale Kriminalpolitik" in diesem Bereich. Hier werde man "an die Grenzen dessen gehen müssen, was heute akzeptabel ist", meint der SP-Justizsprecher. Jarolim glaubt, dies auch parteiintern durchbringen zu können: "Nach einem längeren Diskurs ist es mehrheitsfähig." An der zuletzt von der ÖVP infrage gestellten Substitutionstherapie würde er festhalten.

Geplante Änderungen bei Gerichtsverfahren sorgen für Debatten unter Juristen

Für Debatten unter den anwesenden Juristen sorgten freilich andere Punkte. So zeigten sich OGH-Präsident Eckart Ratz und Richterverenigungs-Vize Manfred Herrnhofer skeptisch bezüglich der von der SPÖ befürworteten Prozessabsprachen. Unterstützt wurde von Ratz die Forderung, den 2009 eingesparten zweiten Berufsrichter ("Beisitzer") im Schöffenverfahren wieder einzuführen: "Der Beisitzer muss auf Antrag einer (Prozess)Partei dabei sein."

Gefordert wird von der SPÖ einmal mehr die Beibehaltung der Geschworenengerichte sowie die (derzeit nicht gegebene) Begründung ihrer Urteile. Außerdem plädiert die Partei für die Wiedereinführung der Jugendgerichte und für Jugendabteilungen in den Gefängnissen mit eigens geschultem Personal.

Höhere Entschädigungen bei Freisprüchen

Deutlich verbessern möchte Jarolim auch die Entschädigung für unschuldig vor Gericht gestellte Verdächtige: Wer im Prozess freigesprochen wird, der soll seine Anwaltskosten voll ersetzt bekommen. Für ungerechtfertigte Untersuchungshaft soll es eine höhere Entschädigung geben. Das Strafgesetzbuch soll um veraltete Delikte (u.a. Verbreitung von Gerüchten in Zusammenhang mit Wahlen) entrümpelt und in anderen Bereichen (Wirtschaftsdelikte, Menschenhandel) ausgebaut werden.

Justizministerin Karl lehnt SPÖ-Ideen ab
Justizministerin Beatrix Karl (V) lehnt die Vorschläge von SP-Justizsprecher Hannes Jarolim in Sachen Lebenslang und Drogenpolitik ab. "Das geht in die falsche Richtung", sagte ihr Sprecher am Dienstag. Insgesamt stehe Karl außerdem am Standpunkt, "dass sich Strafrecht nicht für den Wahlkampf eignet". Daher sei die von ihr eingesetzte Arbeitsgruppe zur Reform des Strafrechts bis 2015 auch "Legislaturperiodenübergreifend" angelegt.

Man solle die Expertengruppe jetzt unbeeinflusst vom Wahlkampf arbeiten lassen, forderte Karls Sprecher. Die "drängenderen Herausforderungen" als die Bereiche lebenslange Haft und Drogendelikte sind aus Sicht der VP-Ministerin jedenfalls die Reform der Strafrelation zwischen Delikten gegen Leib und Leben einerseits und Vermögensdelikten andererseits.

Auch FPÖ übt harsche Kritik
Weniger Zurückhaltung übte am Dienstag die FPÖ in ihrer Reaktion auf die SP-Ideen. Generalsekretär Harald Vilimsky mutmaßte, dass die Kanzlerpartei "Junkies, Schwerstkriminelle und Irre als Wählerreserve für die Sozialdemokratie sieht". Positiv beurteilt Vilimsky zwar den SP-Vorschlag, unschuldig vor Gericht gestellten Verdächtigen die Anwaltskosten voll zu ersetzen.

Alles in Allem versuche die SPÖ offenbar, "ihren Alt-Justizminister Broda links zu überholen und mit der Liberalisierung zahlreicher Delikte Schwerstkriminelle und solche, die es noch werden wollen, für die Sozialdemokratie zu begeistern", so der FP-Politiker.

Kritik auch aus eigenen Reihen: Jarolim-Vorschläge "nicht Parteilinie"
Jarolims Vorschläge zu "Lebenslang" und Drogenpolitik sind "nicht Parteilinie". Das hat Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos am Dienstag gestellt: "Es sind einige Punkte dabei, die in der Partei nicht konsensfähig wären."

"Es gibt noch kein SP-Justizprogramm, das fertig zur Präsentation wäre", deponierte Darabos. Jarolim "hat natürlich das Recht, als Justizsprecher seine Überlegungen kund zu tun, aber das ist nicht Parteilinie". Das Thema der Strafrechtsreform sei noch nicht ausreichend mit allen Beteiligten akkordiert und müsse noch ausreichend im Klub und in den Parteigremien besprochen werden.

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