Ein Kommentar von oe24-Chefredakteur Niki Fellner.
Das Strache-Video hat diese Republik in ihren Grundfesten erschüttert. Es hat die Abneigung, die viele Menschen gegenüber Politikern haben, – leider – auf unfassbare Weise bestätigt. Nie zuvor hat ein Politiker so offen über Korruption, Dirty Campaigning und grausliche Polit-Deals gesprochen.
Der Rücktritt von HC Strache („STRAXIT“) war angesichts dieses immensen Vertrauensverlusts alternativlos. Strache ist als Vizekanzler und Parteichef untragbar. Auch wenn er zweifellos in eine schmutzige Falle gelockt wurde. Das kann keine Ausrede sein. Der Schaden, den Strache angerichtet hat, ist wohl noch gar nicht abschätzbar.
Strache hat FPÖ wie einst Haider kaputt gemacht
Das Vertrauen in die Politik wird durch seinen Auftritt auf Jahre beschädigt. Die Stimmung und die Zufriedenheitswerte mit dieser Regierung, die seit der Wahl auf einem Allzeithoch waren, hat Strache mit diesem Video mit einem Schlag vernichtet.
Ganz zu schweigen vom internationalen Standing Österreichs – von Deutschland bis Ungarn (!) gelten wir ab sofort als Bananenrepublik.
Die FPÖ ist durch die Ibiza-Affäre ohnehin zerstört. Bei der EU-Wahl am kommenden Sonntag droht ihr ein Debakel, bei einer Neuwahl würde sie wohl unter 20 % rutschen. Die Partei, die HC Strache nach der BZÖ-Spaltung praktisch von null wieder aufgebaut hatte, hat er jetzt (wie einst Jörg Haider) wieder kaputt gemacht. Sein Nachfolger Norbert Hofer steht vor einem blauen Trümmerhaufen.
Als Regierungspartner ist die FPÖ für die nächsten Jahrzehnte ohnehin weg vom Fenster. Hätte es noch einen Beweis dafür gebraucht, dass die Blauen keine staatstragende Partei sind, HC Strache hat ihn spätestens mit seinem Video-Auftritt erbracht. Das türkis-blaue Projekt ist damit gescheitert.
Sebastian Kurz hätte unmöglich mit der FPÖ weiterregieren können. Eine Koalition mit dieser Korruptions-Truppe hätte auch sein Image nachhaltig beschädigt. Der Kanzler hatte daher nur eine Möglichkeit: Er musste in Neuwahlen gehen!
Kurz kann bei Neuwahl über 40 % kommen
Danach hat der Kanzler drei Optionen:
- Türkis-Rot. Er wagt eine Neuauflage der „großen“ Koalition mit einer Vizekanzlerin Rendi-Wagner. Das wäre eine neue spannende Regierungsform. Rendi-Wagner als soziales Gewissen einer Kurz-Reformregierung hätte durchaus Charme. Allerdings ist das Porzellan zwischen ÖVP und SPÖ seit der letzten Nationalratswahl zerschlagen. Fraglich, ob sich Kurz und Rendi-Wagner (und vor allem die Parteiapparate dahinter) zusammenraufen können.
- Türkis-Pink. Wenn Kurz über 40 % bekommt, könnte sich sogar eine Koalition mit den Neos ausgehen. Die stehen der ÖVP ideologisch weitaus näher. Der Charme dieser Variante: Reformen wären mit Beate Meinl-Reisinger und ihrer pinken Truppe leichter umsetzbar. Nachteil: Die Mehrheit wäre aber wohl denkbar knapp.
- Minderheitsregierung. Im engsten Umfeld von Kurz wurde gestern auch eine dritte Variante ins Spiel gebracht: Der Kanzler könnte eine Minderheitsregierung mit einem Expertenkabinett der „besten Köpfe“ machen. Damit könnte die Opposition die Regierung aber jederzeit überstimmen und aus dem Amt jagen. Das Risiko einer baldigen weiteren Neuwahl wäre wohl zu groß.
Der Kanzler kann bei dieser Neuwahl jetzt den Schüssel-Coup von 2002 wiederholen und mithilfe der Stimmen der enttäuschten FPÖ-Wähler einen fulminanten Wahlsieg mit über 40 % einfahren.