Das sagt ÖSTERREICH
Die Chance für Neuwahl wurde vertan
29.01.2017
Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.
Der Poker in der Regierung endet wieder einmal als Hornberger Schießen: Kanzler Christian Kern traut sich nicht, jene Neuwahl anzusagen, auf die er eigentlich spielen wollte.
Warum Kern das „Neuwahl-Ass“ nicht zog – darüber wird lange gerätselt werden: Hatte er Angst vor der eigenen Courage? Und: Findet er den Kompromiss, den die Regierung in 120 Stunden Streit erzielt hat, wirklich gut genug, um bis Herbst 2018 weiterzuarbeiten?
Das Ergebnis, das SPÖ und ÖVP in ihrem Fünf-Tage-Showdown erzielt haben, ist so übel nicht. Die ersten 30 Punkte, die unsere Isabelle Daniel aus der Runde erfahren hat, sind alle gut für das Land. Das Sicherheitspaket ist längst fällig. Die Lohnnebenkosten-Senkung für Firmen, die Jobs schaffen, ist goldrichtig. Burka-Verbot und Arbeit für Asylsuchende sind sinnvoll. Und eine Arbeitszeitflexibilisierung ist nötig.
All die Punkte freilich, die Kanzler Kern wichtig waren, werden bestenfalls als Mäuslein geboren: Die Arbeitszeitreform ist zu wenig. Der Mindestlohn kommt erst, wenn ihn die Sozialpartner entschärft haben. Die Arbeitsplatz-Garantie dürfte es nur als kleines „Pilotprojekt“ geben. Und auch die Tablets für Schüler kommen nur in einer Mini-Variante.
Der Sieger dieses Regierungs-Showdowns heißt „Django“ Mitterlehner. Er hat nicht nur die Regierung (und seinen Sessel) gerettet, er hat den Kompromiss höchst souverän dirigiert – und dabei mehrheitlich ÖVP-Reformen ins neue Regierungsprogramm geschrieben.
Der Verlierer dieses Pokers ist Kanzler Kern. Er hat sich zuerst als „Panik-Kanzler“ entzaubert und unnötig ein „Ultimatum“ verkündet. Und er hat als „Trau-mich-nicht“ den idealen Absprung zur Neuwahl verpasst. Von seinem „Plan A“ sind nur Duftspuren zu erkennen.
Die Koalition wird weiterwursteln. Die Chance für Neuwahlen wurde vertan. Die Chance für einen wirklich großen Wurf wurde verstumpert. Übrig geblieben sind zwei Dutzend Reformen, die dieses Land wirklich braucht. Das ist besser als nix.