Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.
Die Aufbruchsstimmung, die dem neuen Kanzler Christian Kern entgegenschlägt, ist groß: Von Andre Heller bis Hannes Androsch - viele der klugen Köpfe, die sich in den letzten Jahren mit Grauen von der SPÖ abgewandt haben, geben dem Neuen enorm viele Vorschusslorbeeren.
Christian Kern wird es nicht leicht haben, dieser Erfolgs-Erwartung gerecht zu werden. Er muss eine völlig zerstrittene Partei einen und auf Neuwahl-Kurs trimmen - und gleichzeitig eine völlig gelähmte Regierung auf Reform-Kurs bringen.
Der neue Kanzler wird schon bei der Minister-Auswahl zeigen müssen, ob er den Neustart wirklich will. Traut er sich die "heißen Eisen" - sprich: Bildungs-, Infrastruktur- und Sozialministerium - neu zu besetzen, obwohl dort die Lieblinge der SPÖ-Frauen und der Gewerkschaft sitzen? Und wenn ja: Sind die Neuen wirklich große Kaliber, echte Reformer? Die Absage von Sonja Wehsely als Kanzleramts-Ministerin zeigt schon: Wirkliche Top-Politiker halten einen Ministerposten in dieser Koalition eher für ein Himmelfahrts-Kommando als für eine Gestaltungs-Chance
Die Wahrheit ist wohl: Christian Kern muss schon ein ganz besonderes Macher-Format haben, wenn er dieser Todes-Koalition noch einmal neues Leben einhauchen will. Alles ist in dieser Regierung blockiert: Die Bildungsreform, die Wohn-Offensive, die Arbeitsplatz-Offensive, der Wirtschafts-Aufschwung. Zuletzt brachte das rot-schwarze-Blockade-Unternehmen nicht einmal den Breitband-Ausbau für unsere digitale Zukunft zusammen.
Die Wähler sind von dieser Großen Koalition so frustriert, dass sie Kern vermutlich nur eine kurze Frist für erste Erfolge und Reformen geben. Die berühmten 100 Tage für die Einarbeitung hat der neue Kanzler sicher nicht - wenn die wichtigen Reformen für Bildung und Wirtschaft nicht schneller (sprich: sofort) kommen, wird der Druck auf Neuwahlen steigen.
Dann wird`s für Kern richtig spannend - denn dann muss er sich gegen Strache und Kurz behaupten. Derzeit ist Kern ein Kanzler ohne Wähler - das wichtige Wähler-Votum kommt erst...