Das sagt Österreich

Ein Wahlkampf noch ganz ohne Dynamik: Wer zündet jetzt Turbo?

03.08.2019

Das Spannendste an diesem Wahlkampf ist, dass er bisher keinerlei Dynamik entwickelt. Alle sechs Parteien halten stabil ihre Ausgangsposition nach dem Ibiza-Video und der Neuwahl-Ansage.

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© Getty Images; TZOE; APA
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Für Sebastian Kurz bedeutet das: Sein auf Twitter und von vielen Journalisten herbeigeschriebener Absturz findet (vorerst) nicht statt. Der Kurz-Wahlkampf ist zwar bisher eine Enttäuschung – eher von Pannen als von kreativen Ideen geprägt. Aber:
 
Die Kurz-Wähler stehen eisern zu ihrem Ex-Kanzler. Die 36 % Wähler-Anteil, die Kurz derzeit hat, wirken wie in Stein gemeißelt. Das hat wohl mehrere Gründe: Die Kurz-Regierung hatte 60 % Zustimmung – und was wir seither erleben, ist gefährlicher Stillstand. Die Wähler wünschen sich endlich wieder Reformen – Kurz ist der Einzige, dem die Österreicher einen Reformkurs zutrauen. Und er ist auch der einzige rot-weiß-rote Politiker mit internationalem Format.
 
Die ÖSTERREICH-Umfrage zeigt Kurz in allen inhaltlichen Punkten klar in Führung – außer bei den Themen „Sicherheit“ und „Klimaschutz“. Und das kann für ihn noch gefährlich werden – denn diese beiden Themen werden die Wahl entscheiden.
 
Beim Thema „Sicherheit“ führen Norbert Hofer und die FPÖ klar. Nach wie vor halten die Österreicher die FPÖ offenbar trotz Ibiza-Skandal für jene Partei, die die Sicherheit im Land am besten garantiert. Und damit ist auch Herbert Kickl – bei aller negativen Presse und allen negativen Umfragen – für die FPÖ wahrscheinlich noch immer das wichtigste Wahlkampf-Asset. Der ­Polit-Rambo spaltet Österreich – und befeuert die FPÖ.
 
Denn die FPÖ ist in diesem Wahlkampf bisher jene Partei, die am ehesten eine Dynamik aufweisen kann. Sie hat sich von 17 % nach dem Ibiza-Schock auf 20 % hochgewurstelt – präsentiert sich zunehmend in der Opfer- statt in der Täter-Rolle. Und hat einen großen Wahlkampf-Trumpf: Wer wirklich Türkis-BLAU haben will, der wird FPÖ wählen (müssen), um Kurz vor Experimenten mit Rot und Grün abzuhalten.
 
Rendi-Wagner nämlich entwickelt sich in diesem Wahlkampf immer besser. Sie kämpft wirklich wie eine Löwin gegen den ­roten Absturz – enorm fleißig, endlich überall präsent, immer sympathisch und menschlich. So wenig sie derzeit noch wie eine Kanzlerin (also: Macherin, Regierungsführerin) wirkt – so gut kann man sich die sympathische Rote schon als Vizekanzlerin mit einem spannenden Gesundheits- und Umweltressort vorstellen. Dafür muss Rendi aber klare Zweite bei dieser Wahl werden.
 
Die Grünen entscheiden in Wahrheit Rendis Schicksal: Bei der letzten Wahl sind mindestens 4 % der Grün-Wähler zu Christian Kern gewandert, um Kurz als Kanzler zu verhindern. Wenn Rendi diese Rot-Grün-Wähler an Kogler verliert (und danach sieht derzeit alles aus) – dann droht ihr der Absturz auf Platz 3 und unter 20 %.
 
Der grüne Höhenflug scheint freilich derzeit gestoppt. In der jüngsten ÖSTERREICH-Umfrage büßen die Grünen erstmals ein Prozent ein, fallen zurück auf 11 % – sind damit von ihren erhofften 15 % so weit entfernt wie Kurz von seinen erträumten 40 %.
 
Die nächsten acht Wochen werden zeigen, wie sich die Wahlkampf-Dynamik entwickelt:
 
  • Schafft Kurz mit seiner enormen Mobilisierung in den Bundesländern (von NÖ bis Tirol) die 40-%-Marke?
  • Gelingt den Grünen mit ihrer Klima-Kompetenz in diesem Hitze-Sommer die Sensation von 15 %?
  • Schafft Rendi mit ihrem ­immer erfolgreicheren neuen Deutsch-Team das Comeback – und punktet sie mit ihrer sympathischen Art als Frau in den TV-Duellen Richtung 25 % oder mehr?
  • Oder kommt am Ende doch der große FPÖ-Run Richtung Platz 2 und neuer türkis-blauer Koalition?
 
Wirklich spannend wird dieser Wahlkampf ohnehin erst nach dem 29. September – wenn der Fast-Kanzler Kurz seine Koalition auspokern muss.
 
Die Mehrheit der ÖVP-Granden will Türkis-Rot – als „Reform-Partnerschaft“ (das Wort kostet die meisten Österreicher einen Lacher) mit der pflegeleichten Rendi-Wagner als Vize.
 
Die Mehrheit der Wähler allerdings will Türkis-Blau. Vermutlich wird die FPÖ den umstrittenen Rambo Kickl als Klubobmann ins Parlament abziehen (er sitzt dann übrigens als „Koordinator“ ohnehin mit am Regierungstisch), die beiden Parteien werden sich auf einen „unabhängigen“ Innenminister einigen (um das Streitthema zu befrieden) – und das Duo Kurz und Hofer wird lächeln, als hätte es Ibiza, Neuwahl, Misstrauen nie gegeben. Es wird also spannend – ein bisserl vor und ganz sicher nach dem 29. September.
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