Das sagt ÖSTERREICH

Kann VdB scheitern? Und wer wird dann Präsident?

29.08.2022

Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

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© TZOe Artner
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Seine Majestät Alexander I. hat also gestern in seiner sommerlichen Residenz, dem Kaunertal, nach langer Zeit wieder einmal eine Pressekonferenz für den Pöbel gegeben. Er tat das standesgemäß am Berg­gipfel und in einer Kaiser-Talschlucht. Motto: Schaut her, ich lebe noch …

In normalen Zeiten müsste Van der Bellen bei seiner Wiederwahl – wie einst Heinz Fischer – mehr als 80 Prozent der Stimmen erhalten. Er hat dieses Land immerhin souverän, ruhig, manchmal witzig und vor allem (vom Ausrutscher am Berg einmal abgesehen) unfallfrei durch verdammt schwierige Zeiten geführt.

Wir haben aber keine normalen, sondern besonders bewegte Zeiten.

Die Österreicher fühlen sich von ihrer Regierung im Stich gelassen. Die Coronakrise wurde miserabel gemanagt, die Teuerung wird negiert. Die Menschen haben kein Geld mehr, Angst vor der Zukunft, dem Winter, vor allem kein Vertrauen in die Politik mehr.

So wäre es kein Wunder, wenn Van der Bellen im Oktober in eine Stichwahl müsste. Und das gegen einen von vier Kandidaten, die bis vor Kurzem noch als „skurril“ gegolten haben – die aber von Woche zu Woche spannender werden.

Wenn jeder der vier – Rosenkranz, Grosz, Wallentin und Pogo – nur 12 % der Stimmen holt (was angesichts der Umfragen durchaus möglich ist), steht Van der Bellen vor der ­Megablamage einer Stichwahl gegen einen „Nobody“.

Ist es denkbar, dass ihn einer der vier „Nobodys“ wirklich aus dem Amt jagt?

Walter Rosenkranz hat es am leichtesten und schwersten zugleich: Hinter ihm steht die Wahlkampfmaschine der FPÖ mit vielen Millionen, bestem Know-how und der geballten Wut aller FPÖ-Wähler. Aber: Die FPÖ schafft derzeit kaum mehr als 25 % der Stimmen, schreckt viele Wähler ab – und ein Finale Rosenkranz gegen Van der Bellen würde vermutlich die weit mehr als 50 % FPÖ-Gegner im Land so mobilisieren, dass VdB am Schluss deutlich gewinnen würde.

Gerald Grosz dagegen ist für jede Überraschung gut. Er surft auf der (rechten) Social-Media-Welle, mit der schon Trump in den USA gewonnen hat. Es ist schwer zu sagen, ob VdB mit seinem bisher ver­unglückten Traditions-Wahlkampf gegen einen von über einer Million Protestwählern getragenen Social-Media-Wahlkampf des Fernseh-Populisten Grosz überlegen ge­winnen kann.

Tassilo Wallentin surft wie Grosz auf der Protest- und Frust-Welle. Zwar ohne Social Media, dafür aber mit beachtlichem Zuspruch der Pensionisten (Krone-Leser) und der ÖVP-Wähler. Auch Wallentin könnte für VdB zum Stolperstein werden, weil ihn im Finale alle FPÖ-, ÖVP- und Protest-Wähler wählen können. Und das sind zumindest theoretisch mehr als 50 %.

Und Marco Pogo? Wenn der Turbobier-Kandidat die Stichwahl gegen Van der Bellen schafft, dann wird die Präsidentenwahl zur Jux-Partie. Doch Pogo ist trotz seines Spaßfaktors auch ein ernsthafter Kandidat: ein Arzt mit viel Empathie, G’spür für die Menschen und mit der Jugend hinter sich. Warum soll nach Grillo in Italien und Selenskyj in der Ukraine nicht auch bei uns ein Spaß-Kandidat überraschend eine Wahl gewinnen?

Rosenkranz, Wallentin, Pogo und Grosz – jeder der vier kann Van der Bellen schlagen. Es wird Zeit, dass der Monarch vom hohen Ross steigt und sich seinen Wählern stellt – in TV-Duellen, in kritischen Interviews. Sonst wird er ­scheitern.

Die Zeiten sind zu dramatisch für schläfrige Präsidenten. Österreich wird im Herbst politische Erdbeben erleben – bei den Landtagswahlen, im Kanzleramt und vielleicht auch in der Hofburg.

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