Das sagt Österreich
Kern oder Zeiler: Wer kann Kanzler besser?
10.05.2016
Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.
Die SPÖ hat jetzt sechs Tage lang die Qual der Wahl. Sie muss aus zwei exzellenten Bewerbern den Richtigen für Kanzler und Parteichef wählen. Das wird für die Partei zur Überlebensfrage: Wenn das neue As nicht sticht, dann geht es nach der nächsten Wahl schnurstracks in die Opposition - in die Bedeutungslosigkeit.
Kern oder Zeiler - das wird zur Gretchenfrage. Beide sind sich vom Typ sehr ähnlich - die beiden erfolgreichsten Manager im Land. Der eine hat den ORF saniert, der andere die ÖBB. Beide haben aus maroden Dampfern - zumindest vom Image her - wieder erfolgreiche Unternehmen gemacht.
Beide sind politisch engagiert und erfahren - trotzdem Quereinsteiger. Beide verstehen viel von politischem Marketing - können populär werden. Und beiden ist zuzutrauen, dass sie die SPÖ endlich wieder auf Reformkurs bringen.
Aber wer von beiden ist wirklich der bessere Kanzler?
Kern ist der neue Vranitzky - ein Top-Manager als Kanzler
Christian Kern ist derzeit der erfolgreichste politische Manager im Land. Er hat aus der völlig maroden Bahn - allerdings mit viel Vorarbeit der Verkehrsminister Faymann und Bures - ein wieder herzeigbares Unternehmen gemacht: Die ÖBB in den Gewinn geführt. Das Image klar verbessert. Sich um die Kunden (sprich: Wähler) bemüht. Und die Reform durchgezogen.
Der Bahn-Manager Kern ist sowohl Pragmatiker als Visionär - also genau das, was die SPÖ braucht: Eine "Agenda 2030" für Bildung, Arbeitsplätze, Gesundheit, Wirtschaftsaufschwung.
Für Kern spricht: Er ist der klassische Typ "neuer Vranitzky". Nadelstreif. Top gestylt. Von Kopf bis Fuss Manager. Zeiteffizient. Modern und mit 50 durchaus jung. Ihm ist zuzutrauen, dass er der Regierung (so wie den ÖBB) ein neues Image verpasst, Krisen wie das Asylchaos professionell managt (die Leistung der ÖBB in der Flüchtlingskrise war grandios) und trotzdem die Kraft hat, mit den besten Experten des Landes eine Reform-Agenda zu entwickeln, die Visionen hat.
Gegen Kern spricht: Er ist ein Nadelstreif-Manager, dem man den Top-Verdiener ansieht - also nicht sehr brügernah. Er ist sehr selbstverliebt, leicht beleidigt, wenns nicht gleich gut läuft - also eher ein Schönwetter-Kanzler. Und er hat vom Typ Ähnlichkeiten mit "Django" Mitterlehner - und der wurde bekanntlich in der Politik durch die Mühen der Ebene sehr rasch entzaubert. Außerdem: Ob der betont wohlerzogene, noble "Muster-Manager" Kern in einem Brutal-Wahlkampf gegen HC Strache wirklich Chancen hat, darf bezweifelt werden. Kern hat noch nie in seinem Leben Wahlkampf geführt - wie er da rüberkommt, wird sich erst zeigen.
Zeiler ist das Marketing-Genie, der einzige der Strache "verfrühstückt"
Von Gerhard Zeiler sollte man wissen, dass er zunächst der beste "Assistent" der Kanzler Sinowatz und Vranitzky gewesen ist und danach jahrelang an der größten "Medien-Orgel" des Landes saß - er hat den ORF zum modernen Unternehmen gemacht. Zeiler kann beides: Regierung und Medien. Er weiß genau, wie man Politik managt - und er weiß, wie Medien funktionieren. Vor allem kennt er als ORF-Chef die Seele der Österreicher wie kein anderer.
Der Manager Zeiler wird oft unterschätzt. Er war bei Sinowatz in jüngsten Jahren fast "Schatten-Kanzler" und hat damals schon die Regierung mitgeführt. Er hat bei Vranitzky Management und politische Haltung gelernt. Er hat den ORF erfolgreich reformiert, wurde bei RTL der erfolgreichste TV-Chef Europas.
Für Zeiler spricht: Dass er weiß, wie man erfolgreich regiert - gelernt bei Vranitzky. Dass er die SPÖ noch aus ihrer Erfolgszeit von Blecha, Kreisky, Mahr kennt - und sie am ehesten wieder einen kann.
Dass er aber auch - mit seiner Kreativität - die Visionen für die großen Reformen hat: vor allem bei der Bildung (weil er im Bildungsministerium begann), beim Wirtschafts-Aufschwung, in der digitalen Zukunft.
Vor allem spricht für Zeiler, dass er als Medien-Macher genau weiß, wie die Seher (sprich: Wähler) ticken, was sie wollen, wie man sie anspricht. Zeiler ist ein Kommunikations-Genie. Er ist vermutlich der einzige, der Strache und die FPÖ in einem Wahlkampf im Marketing "verfrühstücken" würde.
Gegen Zeiler spricht am ehesten, dass er mit seinen 61 Jahren zuletzt ein bisschen müde wirkte, nicht mehr wirklich kämpfen wollte - und nach Faymann keinen Generations-Sprung darstellt. Auch dass er persönlich ein wenig blass wirkt, absolut uneitel ist, kein großer Selbstdarsteller ist.
Die SPÖ hat das Glück, zwischen den beiden besten Managern des Landes wählen zu können. In Wahrheit sollte sie beide nehmen - Kern als Kanzler, Zeiler als Parteichef - aber das steht nicht zur Diskussion. Der Neue muss beides können - und die Wahl wird ganz, ganz schwer. Weil beide exzellent sind...