Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.
Wenn die Umfragen stimmen, läuft die Stichwahl dieses Präsidentenwahlkampfs auf das bisher brutalste Hassduell dieser Zweiten Republik hinaus. Wenn Van der Bellen am 22. Mai wirklich auf Norbert Hofer trifft, ist das die polarisierendste Wahlentscheidung der Geschichte: Das ist – fast wie bei Star Wars – „Gut gegen Böse“ (wobei die Republik streiten wird, wer „gut“ und wer „böse“ ist). Das ist „Willkommenskultur“ gegen Stacheldrahtzaun. Das ist Liberalität bis zur Cannabisfreigabe gegen Bürgerbewaffnung und Heeresaufrüstung. Das ist Feminismus gegen Macho-Ideologie. Das ist Links gegen Rechts in einer Brutalität, wie es das in Österreich bisher noch nie gegeben hat.
Mit Van der Bellen bekommt das linke und liberale Lager seinen fast idealtypischen Vertreter: einen Links-Romantiker mit professoraler Erfahrung, einen Träumer mit Realitätssinn und einen Vertreter, für den man sich international nicht genieren muss.
Mit Norbert Hofer bekommt auch das rechte Lager einen fast idealen Vertreter: einen Strache-Zwilling, der sich für jedes zu radikale Strache-Zitat sofort entschuldigt. Einen Anti-Asylanten-Jäger, der trotzdem ein netter Kerl ist, für den man sich auch nicht genieren muss – immerhin leitet er ohne Probleme das Parlament.
Kritisch wird’s erst, wenn die beiden zur Tat schreiten: Verweigert Van der Bellen nach der nächsten Nationalratswahl einem Sieger Strache wirklich die Angelobung, steht das Land vor einem zumindest ideologischen Bürgerkrieg. Und wenn Hofer Wort hält und die gesamte Regierung entlässt, steht Österreich nicht nur vor dem nächsten Brutal-Wahlkampf, sondern wird wohl auf Monate unregiert und unregierbar sein.
Ich gönne sowohl Van der Bellen als auch Hofer den Sieg in der Stichwahl. Beide sind untadelige Politiker. Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Mehrheit der Österreicher diesen Brutal-Wahlkampf und die folgende „Erste Allgemeine Verunsicherung“ der Republik will.
Weshalb ich Irmgard Griss und Rudolf Hundstorfer im Finish noch nicht abschreiben würde. Griss wäre für viele Protestwähler die sanfte Alternative. Für Hundstorfer spricht: Zum Schluss haben die Österreicher fast immer (siehe Wien-Wahl) Kontinuität der Revolution vorgezogen.