Das sagt ÖSTERREICH
Wahl 2017: Wem schadet Pilz wirklich?
01.07.2017
Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.
Der Wahlkampf für die Entscheidung am 15. Oktober hat früher begonnen als erwartet. Im Parlament werden plötzlich mehr Gesetze beschlossen als zuvor in der gesamten Koalitions-Periode. Alle Parteien sind bereits hyper-nervös. Kein Wunder: Fast jede Woche werden die Karten neu gemischt – zuletzt vom grünen Showmaster Peter Pilz.
Sebastian Kurz hält seinen großen Umfrage-Vorsprung überraschend stabil. Auch die serienweisen Schmutzkübel von SPÖ und FPÖ der letzten drei Wochen konnten seinem Image als „Strahlemann“ nichts anhaben.
Sebastian Kurz geht in keine Abseits-Falle
Gestern wurde Kurz von seiner Partei fast schon zum Polit-Messias hochgejubelt. Die einst so zerstrittene ÖVP steht geschlossen hinter ihrem erst 30 Jahre alten „Wunderwuzzi“. Die Partei spürt: Erstmals seit Schüssel kann sie wieder den Kanzler holen – mit einem politischen Ausnahme-Talent, das zu einer modernen, spannenden Mischung aus Kreisky und Haider werden könnte.
Für Kurz als neuen Kanzler spricht nicht nur, dass er die richtigen Themen besetzt (Sicherheit, Flüchtlingsfrage, Steuersenkung, Aufschwung) sondern auch, dass er sich in sozialen Fragen von der SPÖ nicht blamieren lässt. Sein „Ja“ zur Gratis-Pflege war taktisch genial.
Die politische Logik würde auch nahelegen, dass Sebastian Kurz am stärksten von einer „Liste Peter Pilz“ profitieren kann, weil Pilz sowohl der SPÖ als auch den Grünen und vielleicht sogar der FPÖ Stimmen abjagen wird – nur der Kurz-ÖVP ganz sicher nicht.
Kern wird der TV-Star des Wahlkampfs
Christian Kern sollte man dennoch auf keinen Fall abschreiben. Der Kanzler ist voll Elan in diesen Wahlkampf gestartet, hat sichtlich Spaß daran und ist auch jener Spitzenkandidat, der bei den TV-Auftritten mit Charme und Witz am meisten punktet. Kern hat (endlich) seine Strategie gefunden: volle Kraft auf soziale Themen und Aufschwung, klare Distanz zur FPÖ, ständige Attacken gegen „Lieblings-Gegner“ Kurz. Resultat: Der Kanzler holt von Woche zu Woche mehr auf – meine Prognose: Am Ende wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen Kern gegen Kurz werden – und da hat Kern den Kanzler-Bonus und die soziale Kompetenz.
HC Strache hat in diesem Mega-Wahlkampf seinen Platz (vorerst) noch nicht gefunden. Die Protest-Stimmung lässt nach, die Flüchtlings-Angst ist im Moment nicht hysterisch, der Öxit ist etwas, das keiner will. Und jetzt droht Strache noch besonderes Ungemach:
Wird Pilz zu Straches härtestem Gegner?
Peter Pilz könnte Strache mit seiner Liste die Show als Polit-Robin Hood und „Rächer aller Empörten“ stehlen. Denn immer stärker zeichnet sich ab, dass Pilz seine neue „Liste“ weniger als Attacke auf Grüne und SPÖ anlegen will (von denen er nichtsdestotrotz so viele Stimmen absaugen kann, dass die Grünen vielleicht sogar aus dem Parlament fliegen) – sondern als Herausforderung der FPÖ. Mit populistischen Ansagen gegen Islam, Erdogan, Flüchtlingswelle, Sicherheit könnte Pilz zum neuen „linken Strache“ werden – und in ein spannendes Duell mit dem FPÖ-Chef um die etwa 40 % Protestwähler in diesem Land antreten, von denen maximal die Hälfte politisch rechts steht, viele aber von der SPÖ kommen und in einem Peter Pilz plötzlich eine wählbare Protest-Alternative „gegen die da oben“ sehen könnten.
Peter Pilz macht mit seinem Antreten die Wahl erst richtig spannend. Die Grünen und Neos müssen plötzlich ums Überleben kämpfen. Die FPÖ hat einen neuen Konkurrenten. Christian Kern wird aufpassen müssen, dass ihm nicht zu viele Wähler nach links abdriften.
Nur Sebastian Kurz hat weiter das Luxus-Problem: Wie rette ich eine 33-%-Kanzlermehrheit über 15 Wochen Wahlkampf in die Zielgerade? Der Jubel, Hype, Erfolg des gestrigen ÖVP-Parteitags war schon fast zu viel des Guten ...