Ex-Generalintendant Bacher hat den amtierenden Direktor vor laufender Kamera in Grund und Boden kritisiert.
"In der schwersten Existenzkrise seit der Neugründung 1967" sieht Ex-Generalintendant Gerd Bacher den ORF. Der Sender sei "ein Sanierungsfall und in wenigen Jahren pleite, wenn nicht umgehend einschneidende Maßnahmen getroffen werden", prophezeite der "Tiger" in der ORF-Sendung "Club 2".
"Wrabetz überlebt Krise nicht"
Vor laufender
Kamera ließ Bacher heftige Kritik auf seinen Nachfolger Alexander Wrabetz
niederprasseln, etwa dass ihm "Durchschlagskraft und Entscheidungsfähigkeit"
sowie Gefühl für das Programm fehle. "Ich glaube auch nicht, dass Sie diese
Krise überleben werden, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass die
geschätzte Politik einen Nachfolger findet, der das alles noch weniger
kann", so Bacher.
"ORF wird an Kommerzielle verhökert"
Das
Unternehmen müsse neu strukturiert und personalisiert werden, glaubt der
Ex-Intendant. Das von Wrabetz vorgelegte Strukturpaket komme "viel zu spät".
Wenn die Maßnahmen jetzt nicht umgesetzt werden, "wird der ORF an die
Kommerziellen verhökert werden, an den Herrn Dichand, den Busenfreund des
Bundeskanzlers, oder an die Raiffeisen-Gruppe oder große deutsche
Unternehmen. Das wäre eine kulturpolitische Katastrophe", so Bacher.
"Probleme wurzeln in Ära Bacher"
Wrabetz hielt dem
entgegen, dass die Wurzeln vieler aktueller Probleme in der Ära Bacher
gelegt wurden und dass Bacher schon öfters Horrorszenarien gezeichnet und
die Ablöse von ORF-Chefs betrieben habe, worauf Bacher meinte: "Ja, und im
Moment Ihre."
"Politiker haben keine Ahnung"
Im Rundumschlag des
Ex-ORF-Generalintendanten bekam auch die Politik ihr Fett weg. Der ehemalige
ORF-Chef sprach von einer "unverschämten Einmischung der Bundes- und
Landesregierung", die Parteigünstlinge statt Fachleute in
ORF-Führungspositionen hieve. Dabei handle es sich bei den Politikern um
"Leute, die keine Ahnung von Medien haben und erst seit einigen Wochen einen
Sender von einer Radiwurzn unterscheiden können".
Deutsche und Schweizer wundern sich
Auf Unverständnis stieß
Bachers verbale Attacke gegen Wrabetz und die offenbare Tiefe der Krise bei
der ARD-Direktorin Maria von Welser sowie bei Armin Walpen, Generaldirektor
des Schweizer SRG SSR. Welser war fassungslos ob der beschriebenen
politischen Einmischung in den Sender - "das wäre in der ARD nicht möglich,
amtierende Politiker haben bei uns nichts zu suchen". Auch Walpen meinte,
der politische Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei in
Österreich offenbar ein deutlich anderer als in der Schweiz. Zu Bacher
meinte Walpen, dass er es fraglich findet, ob es hilfreich ist, wenn ein
ehemaliger Chef sich derart über sein Unternehmen äußert.
"Dann ist der Sender hin"
Der ORF stecke von mehreren
Seiten in der Krise, attestierte Peter Huemer, Sprecher von SOS-ORF. In
dieser Situation versuche auch noch die Politik, "den Sender in den Griff zu
bekommen. Wenn das der Politik gelingt und sie hier ihre Domestiken
verteilt, dann ist der ORF hin", befürchtet Huemer.
"ORF muss Personal halbieren"
Horst Pirker, Vorstand
der Styria Medien AG und Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen
(VÖZ), ist davon überzeugt, dass der ORF einen echten "chirurgischen
Eingriff" benötige, das werde wehtun, sei aber notwendig. Der Sender müsse
sein Personal halbieren, soll aber weiterhin alle Kanäle bespielen und zwar
mit öffentlich-rechtlichen Inhalten. Die Produktivität soll mit Hilfe der
finanziellen Mittel aus den Bundes- und Länderabgaben und der Refundierung
der Gebührenbefreiungen gesteigert werden.
"ORF ist mit Homöopathie nicht zu heilen"
Wrabetz
hält das für illusorisch. "Jeden zweiten zu entlassen, das ist eine
Illusion. Es ist schon jetzt schwer genug, die Produktivitätssteigerung
durchzusetzen, die wir vorhaben", so der ORF-Chef, dem Pirker umgehend
"Homöopathie" vorwarf. "Der ORF steckt in der Krise, und das ist mit
Homöopathie nicht zu heilen. Wer hier und jetzt nicht Klartext spricht,
gefährdet den ORF."