Kanzler fordert im Interview "Härte" gegenüber den USA.
EU-Gipfel am Freitag in Brüssel: Der US-Spionageskandal überschattet alles, das EU-Treffen mutiert zum "Handy-Gipfel". Jetzt berichtet der britische Guardian, dass nicht nur Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, sondern weltweit 35 Staatschefs von der NSA belauscht worden sein sollen.
US-Offizieller gab Nummern der Staatschefs heraus
Die Nummern der Präsidenten, Premiers und anderer Spitzenpolitiker – ihre Namen sind (noch) geheim – erhielt die NSA von einem US-Offiziellen. Er sammelte 200 Nummern und gab sie weiter. Das geht aus einem Dokument von Enthüller Edward Snowden hervor.
In Europas Polit-Apparat brodelt es. Merkel selbst hielt sich beim EU-Gipfel mit Spekulationen über den Lauschangriff zurück, ließ aber in Richtung USA wissen: „Misstrauen erschwert die gemeinsame Arbeit.“
Mitten im NSA-Skandal könnte auch Kanzler Werner Faymann stecken. Er ist regelmäßig Telefonpartner von Angela Merkel. Er hat für Merkel regelmäßig die EU-Gipfel vorbereitet. Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Polen auf „Merkel-Linie“ eingeschworen.
Kanzler: "Abhören ist doch kein Kavaliersdelikt"
Faymann verwendet üblicherweise zwei Handys, ein iPhone und einen Blackberry. Der Kanzler sagt im Interview mit ÖSTEREICH jedoch: "Abhören ist kein Kavaliersdelikt, es gibt aber keine Anzeichen, dass ich belauscht worden bin."
Manfred Matzka, Präsidialchef und verantwortlich für Abhörsicherheit im Kanzleramt, sagt zu ÖSTERREICH: "Alle Mobiltelefone des Kanzlers sind hoch gesichert, wir nehmen regelmäßig technische Checks vor."
(prj)
Faymann: "Wir nehmen die Abhöraffäre äußerst ernst"
ÖSTERREICH: Angela Merkel sowie 35 weitere Staatschefs sollen durch die NSA abgehört worden sein. Sie auch?
Werner Faymann: Aktuell habe ich dafür keine Anhaltspunkte.
ÖSTERREICH: Sie haben Frau Merkel beim EU-Gipfel getroffen. Wie verärgert wirkt sie denn über die Abhöraktion?
Faymann: Sie hat diese Frage sehr ernst genommen, so wie alle anderen Gipfelteilnehmer auch. Ein Angriff auf die Privatsphäre ist kein Kavaliersdelikt. Jede Art der Verletzung der Privatsphäre ist inakzeptabel – bei Regierungschefs genau so wie bei jedem einzelnen Bürger.
ÖSTERREICH: Wurde der Gipfel von dieser Affäre aber überschattet?
Faymann: Wir haben das sehr intensiv diskutiert. Das war auch richtig und wichtig.
ÖSTERREICH: Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande wollen das Thema mit den USA klären. Und die übrige EU?
Faymann: Die EU-Staats- und Regierungschefs unterstützen diese Initiative von Merkel und Hollande, mit den USA diese Vorwürfe bis Dezember aufzuklären. Wir wollen zu einer gemeinsamen Vorgangsweise kommen.
ÖSTERREICH: Wie sehen Sie diese mögliche Abhöraktion von 35 Staatschefs durch die NSA denn persönlich?
Faymann: Es ist nötig, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den USA und Europa wieder hergestellt wird. Die Vorwürfe können nicht unaufgeklärt bleiben. Das muss das Interesse beider Seiten sein.
ÖSTERREICH: Deutschland hat den US-Botschafter in Berlin einbestellt. Sollte Österreich auch den US-Botschafter einbestellen?
Faymann: Ich berate mit dem Außenminister, wie wir vorgehen. Wichtig ist mir, dass es europäisch akkordiert ist und damit mit entsprechender Härte passiert.
ÖSTERREICH: Beim EU-Gipfel ging es auch um EU-Flüchtlingspolitik und die tragischen Todesfälle vor Lampedusa. Ist das nicht eine Schande für Europa?
Faymann: Es kann keinem egal sein, wenn es zu so erschütternden Vorfällen kommt. Europa kann da nicht tatenlos zusehen. Deshalb war es wichtig, im Kreis der Regierungschefs darüber zu beraten.
I. Daniel