Zuletzt hatte es aus dem Innenministerium geheißen, dass es keine Akten mehr zu der Spionage-Affäre gäbe. Sie waren aus dem Staatsarchiv verschwunden.
Die Aufzeichnungen der heimischen Staatspolizei über die Verbindungen Helmut Zilks zum tschechoslowakischen Geheimdienst sind nun doch im Staatsarchiv gefunden worden. Der Originalakt dürfte zwar vernichtet worden sein, er wurde aber auf einem Mikrofilm archiviert. In dem Akt erklärt eine nicht genannte Quelle: Zilk sei kein Agent des StB, sondern ein "Informator" gewesen. Ihm sei bewusst gewesen, dass seine Angaben dem Geheimdienst zur Verfügung stehen würden. Ob Geld geflossen ist, geht aus den Papieren nicht hervor.
Originale zerstört
Die Mikrofilme der Akten gelangten in
den späten 90er-Jahren von der damaligen Staatspolizei in das
Österreichische Staatsarchiv. Dass die papierenen Originalakten bereits
längere Zeit vorher im Ministerium selbst vernichtet worden waren, war dem
Archiv bekannt, nicht aber der Zeitpunkt der Vernichtung.
Zilk war "Mittwoch"
Geführt wurde der Fall Zilk unter
dem Namen "Mittwoch". Angelegt wurde der Akt nach dem Prager
Frühling 1968. Der verstorbene Sozialdemokrat soll dem StB über Gespräche
mit dem damaligen SPÖ-Chef Bruno Kreisky berichtet haben. Außerdem soll
einer der Führungsoffiziere, Jiri Starek, nach dem Prager Frühling in
Österreich geblieben sein und kurzfristig ein Büro im ORF bekommen haben,
als Zilk Programmdirektor war.
Bacher ahnungslos
Der ehemalige ORF-Generalintendant Gerd Bacher
kann das nicht bestätigen. Er wisse nichts davon, könne sich das aber auch
nicht vorstellen, so Bacher. Allerdings: Selbst wenn das - etwa aufgrund des
sowjetischen Einmarsches in der CSSR - passiert sein sollte, hätte er das
nicht erfahren. "Büros habe ich nicht vergeben", so der
langjährige Freund Zilks.
Wirrwarr um Karteileichen
Ohne die zugehörige Namenskartei ist
eine gezielte Suche und Auffindung von verfilmten Akten nicht möglich. Die
Kartei aber gelangte unvollständig und völlig vermischt in das Staatsarchiv.
Der Grund dafür war der Umstand, dass viele Sachbearbeiter des BMI
gleichzeitig an der Aussonderung der nicht mehr aktuellen Karteikarten aus
dem noch zu behaltenden Karteikartenbestand gearbeitet hatten.
Aktenzahl im Kanzleibuch entdeckt
Nachdem die Angelegenheit Zilk
virulent geworden war, konnte trotz intensiver Suche nur eine Karteikarte
auf dessen Namen festgestellt werden, die jedoch nicht auf einen Akt
betreffend die in Frage stehende Angelegenheit verwies. Um das sehr
aufwändige Verfahren einer kompletten Durchsicht der Mikrofilme zu
vermeiden, wurde seitens des Staatsarchivs zu der etwas Zeit sparenderen
Methode der Suche im nicht alphabetisch gegliederten Kanzleibuch
(„Protokollband“) gegriffen, was schließlich zur Feststellung der benötigten
Aktenzahl führte.
Für Faymann hat Zilk Vorwürfe zu Lebzeiten geklärt
Bundeskanzler
Werner Faymann hält auch nach dem Auftauchen neuer Fakten in der Affäre Zilk
keine Historiker-Kommission oder ähnliches für notwendig. Wie er in einer
Pressekonferenz nach dem Parteivorstand Mittwochnachmittag betonte, seien
die Vorwürfe der letzten Tage nicht neu und der frühere Wiener Bürgermeister
habe zu Lebzeiten bereits dazu Stellung genommen. Diese Erklärungen seien
aus seiner Sicht "völlig ausreichend" gewesen.
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Im Folgenden Wortlautauszüge aus der als "geheim" gekennzeichneten Stapo-Akt über Helmut Zilk, aus der Teile auf Mikrofilm von einem Mitarbeiter im Staatsarchiv entdeckt wurden (Rechtschreibung und Grammatik sind im Original, Anm.):
Seite 1: "Dr. Zilk, Direktor des Österr. Fernsehens, ist kein Agent, sondern lediglich Gesprächspartner auf dem politischen Sektor. Berichtet über Gespräche mit Dr. KREISKY und Außenminister Dr. WALDHEIM, wobei er jeweils dazu eine eigene Lagebeurteilung gibt. Versuchte mit seinen Möglichkeiten, den Prager Reformkommunismus zu fördern. Nach Angaben der Quelle weigert er sich, etwas gegen österr. Interessen zu tun. Der Kontakt mit ihm wurde durch den Kulturattache der csl. Gesandtschaft STAREK angebahnt. Prag ist an dieser Verbindung sehr interessiert, und zwar als Perspektivplanung. Direktor ZILK wird daher mit 'Samthandschuhen angefaßt'." Seite 2: "Dr. Zilk wurde von der Quelle bereits im ersten Gespräch (Befragung) als Informator des CND genannt, ohne als 'Agent' bezeichnet zu werden. Im Verlaufe der weiteren Befragung erklärt die Quelle dazu dezitiert, daß Dr. Zilk wußte, daß seine Gesprächsäußerungen in den Kanal des csl. Nachrichtendienstes flossen. Dr. Zilk habe 'Reform-Politik' gemacht. Dr. Zilk habe zur Bedingung gemacht, daß seine Mitteilungen Österreich nicht zum Schaden gereichen dürften. Gesprächspartner des Dr. Zilk sei Jiri Starek gewesen, der die 'Anbahnung' (=Anwerbung) vorgenommen habe. Nach Darstellung der Quelle war Starek in Alpach (gemeint offenbar der 21.8.1968) und kam sofort nach Wien, wo er ein Büro im österr. Rundfunk bekommen habe. Starek habe eine äußerst lebhafte politische Tätigkeit entfaltet und viele Telephongespräche in alle Welt geführt, so mit Ota Sik in Belgrad; er habe die Bildung einer Exilregierung vorbereitet. Koci sollte nach Wien kommen, um Starek 'einzufangen'. An diesem Tag sei ein Gespräch mit Vacek vereinbart worden. Das Ergebnis ist der Quelle nicht bekannt. Krach Starek-Dalma. Starek habe das ihm von Dr. Zilk großzügig zur Verfügung gestellte Büro überraschend verlassen müssen, da es zwischen ihm und Dalma zu einem 'Krach' gekommen sei. Der Darstellung der Quelle kann entnommen werden, daß sich St. sehr selbstbewußt und anmaßend aufgeführt habe, so daß Dalma zur Frage gezwungen worden sei, wer nun eigentlich Chef sei, er (Dalma) oder Starek." |