Hackeln statt Häfn
Zustimmung für Bergers Haftentlastungspaket
19.08.2007
Ab Herbst wird es österreichweit möglich sein, eine Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Leistung zu ersetzen.
Das Projekt "Schwitzen statt Sitzen" sei ein Erfolg, sagt Anderas Zembaty vom Verein NEUSTART in einem Gastkommentar für die Tageszeitung ÖSTERREICH. Zembaty: "Wenn Strafe Sinn macht, dann vor allem, weil sie Menschen verändert. Dann kann der Rückfall vermieden werden und die Sicherheit in unserer Gesellschaft steigt. Bloßer Freiheitsentzug, der keine Chance zu Resozialisierung lässt, widerspricht diesem Grundgedanken von Strafe. Manchmal ist der Freiheitsentzug sogar ‚Schule des Verbrechens’."
"Sinnvoller als einsperren"
Aus der Sicht des Vereins
NEUSTART sei es "sinnvoller, diese Personen für die Gesellschaft arbeiten zu
lassen, als sie bloß einzusperren", so Zembaty. In zwei Projektjahren sei
diese Ansicht bestätigt worden. "Es gelang, jeden zweiten vom Richter
zugewiesenen Fall positiv zu beenden: der Verurteilte bezahlte die
Geldstrafe, oder er arbeitete in Hilfstätigkeiten bei gemeinnützigen
Organisationen (etwa Reinigungsarbeit im Rettungswesen oder Mithilfe bei
Aktivitäten einer Gemeinde)."
"Bei leichten Delikten: ja"
Auch Vorarlbergs
Sicherheits-Landesrat Erich Schwärzler (V) kann der Idee "Schwitzen
statt Sitzen" durchaus etwas abgewinnen, unter bestimmten Bedingungen
zumindest. "Bei leichten Delikten sage ich grundsätzlich ja zu diesem
neuen Weg. Es darf aber nicht sein, dass Kriminelle am Arbeitsplatz
untergebracht werden und dadurch die Sicherheit am Arbeitsmarkt leidet",
so Schwärzler in einer Aussendung am Montag. Bei schwerwiegenden Straftaten
hielt Schwärzler eine Alternative zur Haftstrafe nicht für möglich.
Professionelle Begleitung
Jene Straftäter, die gemeinnützige
Arbeit leisten, sollten eine professionelle Begleitung durch den Arbeitgeber
erhalten, forderte der Sicherheits-Landesrat. Bei leichten Delikten halte er
den Ansatz für "durchaus sinnvoll" und "diskussionswürdig".
Der Ergebnisse der Pilotversuche müssten aber geprüft und in die künftige
Gesetzgebung mit einbezogen werden, so Schwärzler. Die Möglichkeit,
Haftstrafen durch gemeinnützige Arbeit zu ersetzen, sei bei schwerwiegenden
Vergehen "ganz klar" auszuschließen. "Verbrecher gehören
ins Gefängnis. Hier Milde zu zeigen, wäre ein völlig falsches Signal",
betonte der Sicherheits-Landesrat.
"Sinnvolle Alternativen"
Der Sicherheitssprecher der
Vorarlberger Freiheitlichen, Ernst Hagen, bezeichnete die Möglichkeit,
Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Leistungen zu ersetzen, als "ersten,
wichtigen Schritt". Angelehnt an die Schweiz sollte die Praxis in
Österreich dahingehend geändert werden, dass Straftätern "unter
klar zu definierenden Voraussetzungen" als Ersatz für unbedingte
Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten eine Arbeit in Freiheit ermöglicht wird",
so Hagen in einer Aussendung. "Wir brauchen sinnvolle Alternativen zum
bisherigen Sanktionensystem", betonte Hagen. Für arbeitslose Straftäter
könne gemeinnützige Arbeit auch ein erster Schritt zurück ins Erwerbsleben
sein, gab sich Hagen überzeugt.
Justizministerin Maria Berger (S) dehnt den Modellversuch, den ihre Vorgängerin Karin Gastinger (B) im Vorjahr unter dem Motto "Schwitzen statt Sitzen" startete, auf alle Gerichtssprengel aus. Ebenfalls im Herbst wird sie ihren Gesetzesvorschlag zur Ausweitung der bedingten Entlassung vorlegen.
Haftentlastungspaket vor Umsetzung
Auch wenn aus der ÖVP bereits
einige negative Signale zu Bergers "Haftentlastungspaket" gekommen
sind, hofft die Ministerin auf die Umsetzung. Dies auch hinsichtlich der -
vom Koalitionspartner vehement abgelehnten - bedingten Entlassung
ausländischer Straftäter mit Ausreisegebot und Wiedereinreiseverbot. Denn
diese Maßnahme stehe im Regierungsübereinkommen, betonte Berger, "und
das sollte man doch umsetzen".
Gemeinnützige Tätigkeit
Den Tenor der ÖVP-Kritik, dass
mit solchen Maßnahmen zur Entlastung der überfüllten Gefängnisse die
Sicherheit gefährdet werde, wies Berger zurück: "Entlastende
Maßnahmen werden nur dort gesetzt, wo es keine Sicherheitsgefährdung gibt."
Sie würden sogar zur Sicherheit beitragen - wenn z.B. anstelle einer
Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Tätigkeit geleistet wird, werde der
Täter nicht aus seinen sozialen Bezügen gerissen. Und da ursprünglich eine
Geldstrafe verhängt wurde, habe das Gericht ja keine Notwendigkeit gesehen,
ihn in Haft zu nehmen.
Modellversuch hat sich bewährt
Im bisher auf Wien, Graz,
Linz, Wels und Innsbruck beschränkten Modellversuch habe sich "Schwitzen
statt sitzen" übrigens sehr bewährt: 11.000 Hafttage habe man einsparen
können. Und viele Verurteilte würden dann doch lieber ihre Geldstrafe
bezahlen, berichtete Berger.
Die Zahl der bedingten Entlassungen will Berger u.a. dadurch erhöhen, dass nicht mehr nur durch Richter, sondern gemischte Senate (mit Sozialarbeitern und Psychologen) darüber entscheiden und die "Generalprävention" als Entscheidungskriterium entfällt. Auch hier gehe es nicht um Straferlass oder eine nachträgliche Korrektur des Urteils, sondern darum, den Haftzweck zu erreichen. Und deshalb will Berger die Möglichkeit der Richter, Auflagen zu erteilen - etwa zu einer Therapie, Meldepflicht oder vielleicht auch gemeinnütziger Arbeiter - "ein bisschen ausbauen".