Zensur-Versuch

Söder vs. Grosz: Bayerns Ministerpräsident will Kritiker mundtot machen – Skandal um Strafanzeige

Teilen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat ein weiteres Mal einen Strafantrag wegen Beleidigung gegen Österreichs Politkommentator Gerald Grosz gestellt. 

Eingeleitet hat das Ermittlungsverfahren die Generalstaatsanwaltschaft München und der dort ansässige „Beauftragte der bayerischen Justiz zur strafrechtlichen Bekämpfung von Hate-Speech“. Er hat Gerald Grosz in einem offiziellen Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft über die erneute Strafverfolgung informiert und eine Frist zur Stellungnahme bis Anfang September gegeben.

Anlass für den erneuten Strafantrag von Söder ist ein Auftritt von Grosz in der österreichischen TV-Sendung „Grosz vs. Bohrn Mena“ auf oe24.tv, der allerdings schon am 19. September 2023 stattfand.

„Markus Söder, sonst bei anderen um keinen plumpen Spruch verlegen, zeigt, wie er wirklich tickt: dünnhäutig und humorbefreit. Söder ist in Wahrheit ein ‚Weißwurst-Erdogan‘. Söder missbraucht die bayerische Justiz, um unliebsamen Kritikern zu drohen, sie mundtot zu machen und in die Knie zu zwingen. Dass er jetzt auch noch versucht, das österreichische Fernsehen und eine Politiksendung zu zensieren, geht eindeutig zu weit. Von Söder lasse ich mich nicht kriminalisieren und nehme den Fehdehandschuh auf! Meine Anwälte, Dr. Alexander Stevens und Professor Dr. Holm Putzke, werden sich um Söder kümmern.“, so Grosz in einer ersten Reaktion.

Im dem angegriffenen Ausschnitt der Sendung „Fellner Live – Grosz vs. Bohrn Mena“ auf oe24.tv hatten die Diskutanten die Migrationspolitik Söders kurz vor der bayerischen Landtagswahl im Jahr 2023 kontrovers und dem Format entsprechend überspitzt diskutiert. Die Tatsache, dass Söder eine Asylobergrenze zwar fordere, aber andererseits nur wenige der ausreisepflichtigen Asylbewerber tatsächlich abschiebe, die bayrisch-österreichische Grenze nur lückenhaft sichern lasse, sei „verlogen“.

Dass er zwar Merkels „Wir schaffen das“-Politik ablehne, Merkel aber den höchsten bayrischen Verdienstorden verliehen habe, und zudem Kritiker seiner Politik mit der Justiz und einer von dieser gegen Gerald Grosz ausgesprochenen Strafandrohung von zehntausenden Euro verfolgen lasse, wurde von Grosz in der Sendung schließlich mit der Feststellung quittiert: „Ich leg noch einmal 36.000 Euro drauf und sag noch einmal, dass es der größte Trottel ist, der mir je in meinem ganzen Leben begegnet ist“.

„Es ist bemerkenswert, dass ein deutscher Politiker ein österreichisches TV-Politformat zu zensieren versucht und damit direkt in die journalistische Freiheit und freie Meinungsäußerung einer Politdiskussion eingreift. Söder erinnert damit frappant an Erdogan, der aus Ankara heraus deutsche Satiriker vor den Strafrichter zerren und mundtot machen wollte. Söder hat offenbar in der Staatskanzlei eine eigene Blockwart-Abteilung installiert, die jegliche kritische Äußerung über seine Politik mittlerweile grenzüberschreitend „screenen“ lasse“, so Grosz weiters.

„Wenige Tage nachdem bekannt wurde, dass ich am 2. September am Gillamooser Volksfest auftreten werde, wenige Meter vom Söder-Festzelt entfernt, gibt die Generalstaatsanwaltschaft München Ermittlungen wegen eines Sachverhaltes bekannt, der knapp ein Jahr zurückliegt. Das stinkt nach vorauseilendem Gehorsam oder gar einer Weisung und unerlaubter Einflussnahme auf die Justiz. Ich werde weiterhin für Meinungsfreiheit im Rahmen der politischen Kritik an Machthabern kämpfen – ohne Wenn und Aber!“, so Grosz.

Die von Gerald Grosz mandatierten bekannten Strafverteidiger, Dr. Alexander Stevens und Professor Dr. Holm Putzke, haben keinerlei Verständnis für das Ermittlungsverfahren: „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der EGMR, hat bereits 1997 entschieden, dass es von der Freiheit der Meinungsäußerung geschützt ist, wenn ein Journalist einen Politiker als Trottel bezeichnet. Die Meinungsfreiheit schützt eben nicht nur Meinungsäußerungen, worüber andere sich freuen, sondern auch solche, die verletzen können“, so der Passauer Juraprofessor Dr. Holm Putzke.

Dr. Alexander Stevens weist auf die Besonderheiten des Falles hin: „Es ist auch unbestritten, dass gerade Politiker sich im Rahmen von Machtkritik mehr gefallen lassen müssen als Privatpersonen, erst recht gilt das, wenn Journalisten oder gar Satiriker einen Politiker kritisieren“.

Beide Strafverteidiger gehen noch einen Schritt weiter: „Angesichts der glasklaren Rechtsprechung des höchsten europäischen Gerichts für Menschenrechte stellt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Gerald Grosz die Verfolgung eines Unschuldigen dar, was nach § 344 StGB strafbar ist.“ Denkbar könnte aber auch sein, dass die eindeutige Rechtsprechung des EGMR der Generalstaatsanwaltschaft München gar nicht bekannt ist. Dazu Professor Dr. Putzke: „Entweder die Staatsanwälte kennen die Rechtsprechung des EGMR, dann wäre es strafbar, Gerald Grosz strafrechtlich zu verfolgen, oder sie kennen die Rechtsprechung nicht, dann wäre das obendrein außerordentlich blamabel.“

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten