Kaltenbrunner reiste bereits ab, aber Stangl macht weiter
Gerlinde Kaltenbrunner hat das Basislager verlassen. Christian Stangl bleibt und wartet. Egal, ob das Essen knapp wird oder die Verzweiflung wächst.
Himalaja
Christian Stangl ist der stärkste Mann der Welt.
Zumindest, wenn es nach seinen psychischen Qualitäten geht. Er sitzt auf
5.000 Meter Höhe im Basislager des K2. Jener Berg, dem Gerlinde
Kaltenbrunner am Montag den Rücken gekehrt hat, weil ihr Kamerad Fredrik
Ericsson (35) vor ihren Augen 8.200 Meter tief in den Tod gestürzt ist. Sie
ist gestern abgereist.
Doch Stangl sitzt vor seinem Zelt, blickt Richtung Gipfel und wartet. Er wartet auf das richtige Wetter für den Aufstieg. Bis zum Wochenende ist keine Besserung in Sicht. Das alles kann der 44-jährige Skyrunner ausblenden.
ÖSTERREICH sprach mit ihm via Satelliten-Telefon und hörte einen gelassenen Steirer am Ende der Leitung: „Ich kann bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Ich werde auf diesen Berg steigen.“ Und was macht ihm am meisten zu schaffen? „Das Essen. Es ist furchtbar eintönig. Reis und Ciabatti kommen mir schon bei den Ohren raus. Ich hätte so gerne frisches Gemüse.“
Nahrung wird knapp
Stangl und zwei andere Bergsteiger aus
Kasachstan sind von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Die schweren
Überschwemmungen in Pakistan haben zwei wichtige Brücken zum Fuß des K2
abgeschnitten. Bald könnte auch der ungeliebte Reis zu Ende sein. Doch daran
denkt am Schicksalsberg niemand. „Ich habe Zeit. Ich muss weder ins Büro,
noch habe ich in Österreich irgendwelche Termine.“
Langweilig
Christian Stangl bleibt stark. Obwohl Warten auf das
richtige Wetter furchtbar langweilig ist. Man isst, man schläft, man
unternimmt leichte Touren auf den Gletscher. Und man denkt nach. Nur ja
nicht darüber, wer wenige Tage zuvor auf diesem Berg in den Tod gestürzt
ist.