Borneo
Stink-Blume soll Touristen locken
24.11.2009
Ökotourismus schafft Einnahmequelle auf Borneo. Ureinwohner retten Rafflesia vor Aussterben.
Sie hat nicht nur die größte Blüte im Pflanzenreich - sie stinkt auch erbärmlich und sieht aus wie verwesendes Fleisch. Trotzdem soll die durch Abholzung bedrohte Rafflesia mehr Touristen in den Regenwald von Borneo locken. Auf der Insel des Indonesischen Archipels werden Stammesmitglieder, die die ledrigen Blüten einst zur Produktion von Naturmedizin abernteten, zu Naturführern ausgebildet. Sie sollen die außergewöhnliche Pflanze schützen und sie den Urlaubern zeigen, wenn sie blüht.
Medizinisches Mittel
Die Rafflesia verdankt ihren Namen dem
britischen Entdecker Stamford Raffles, dem sie 1818 auf Borneo auffiel. Dort
war sie lange als medizinisches Mittel begehrt. "Früher haben wir die
Knospen gesammelt und sie an Händler verkauft", sagt Long Kadak, die zum
Stamm der Semai gehört und in einem malerischen Dorf im Norden der Insel
lebt. "Wir haben viele Säcke abtransportiert. Aber jetzt verkaufen wir keine
mehr. Wir wollen, dass Touristen kommen und sie betrachten. Das bringt uns
viel mehr Einkommen."
Long gehört zu rund einem Dutzend Naturführern, die den Besuchern der Insel die größten Rafflesien zeigen, aber auch bezaubernde Schmetterlingshaine und versteckte Wasserfälle. Das Ausbildungsprogramm habe vergessenes Wissen neu erschlossen, sagt die 51-jährige Witwe, während sie mit Touristen im Schlepptau einen steilen Dschungelpfad erklimmt. "Früher wussten nur die Alten, wo die Rafflesien wachsen. Junge Leute sind gar nicht mehr weit in den Regenwald hineingegangen." Vor allem sei jetzt allen klar, wie wertvoll die seltenen Pflanzen seien, sagt Long. "Wir müssen sie beschützen."
Tropische Regenwälder
Das von der malaysischen Regierung
initiiert Programm habe die Chancen für die Rafflesia verbessert, sagt Abdul
Latiff Mohamad von der National University of Malaysia. Die Pflanze verfügt
weder über Blätter noch Wurzeln und wächst als Parasit nur auf bestimmten
Rebengewächsen in Teilen der tropischen Regenwälder von Indonesien,
Malaysia, Thailand und den Philippinen. "Als wir begannen, die Rafflesia zu
erforschen, wussten wir nicht viel - nur, dass manche Ureinwohner sie
sammeln", sagt Mohamad. "Wir fürchteten vor zehn Jahren die Ausrottung, wenn
das so weiter gegangen wäre."
Es ist unklar, wie viele Arten der Rafflesia es gibt, doch viele Experten gehen von 24 aus - wovon drei bereits ausgestorben sind. Ihre meist rötlich schimmernde Blüte braucht mehr als neun Monate, um sich zu entwickeln, ist dann aber nur für ein paar Tage zu sehen. Der Durchmesser erreicht bis zu einen Meter. Den aasigen Gestank haben nur bestimmte Arten, und auch er ist nur wenige Tage lang zu riechen. Er selbst habe den Geruch selten wahrgenommen, sagt der Wissenschafter Mohamad. "Die Fliegen haben zum Glück einen besseren Geruchssinn." Die Insekten werden von Farbe und Geruch zur Bestäubung angelockt.
Die Ursprünge des staatlichen Ausbildungsprogramms reichen zurück bis 1993, als der Mitarbeiter eines Nationalparks von Borneo die Anwohner bat, ihn auf offene Blüten hinzuweisen: Er wollte dann den Hotels Bescheid geben, damit die ihre Touristen schicken. Neben dem zusätzlichen Einkommen für die lokale Bevölkerung habe der staatliche geförderte Ökotourismus auch dazu geführt, dass die Rafflesien von den Einheimischen stärker geachtet würden, sagt Mohamad. In anderen Gegenden würden die Blüten aber noch säckeweise abgeerntet. "Das tut mir weh", sagt er. "Ich bin ein Wissenschafter, und ich glaube nicht, dass wir das Recht haben, irgendetwas auszurotten."