Ein offizieller Ratgeber für den richtigen Umgang mit chinesischen Touristen sorgt in Frankreich für Aufregung.
Wie kommt man mit Chinesen am besten ins Geschäft? Auf keinen Fall sollten Tibet, Taiwan oder das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens erwähnt werden. Nachzulesen ist die Empfehlung in einem neuen Ratgeber des französischen Tourismusministeriums und offiziellen Fremdenverkehrsbüros. Für Menschenrechtsorganisationen ist die Broschüre eine Schande für die Grande Nation, die sich gerne als Vorreiter der Menschenrechte präsentiert.
"Chinesische Touristen - wie man sie am besten Willkommen heißt", lautet der Titel des 65 Seiten dicken Büchleins. Es soll französischen Geschäftsleuten helfen, auf den boomenden Frankreich-Tourismus der Chinesen zu reagieren. 660.000 Gäste aus dem asiatischen Land besuchten Frankreich 2006, zehn Prozent mehr als im Vorjahr.
Niemals verspäten
Eine Empfehlung: "Stellen Sie Sojasoße und
Chilipaste bereit, damit chinesische Touristen das französische Essen
nachwürzen können - sie könnten es sonst zu fad finden." Auf keinen Fall
sollte man die Gäste aus Fernost in einem Hotelzimmer mit der Nummer 4
unterbringen, da diese Zahl mit dem Tod in Verbindung gebracht werde.
Niemals sollte man sich bei Verabredungen verspäten: "Das wird als
Beleidigung verstanden", heißt es in der Broschüre, die Tourismusminister
Leon Bertrand im Dezember vorstellte.
Keine Gespräche über Politik
Dem Wohlbefinden der Gäste
- und potenziellen Geschäftspartner - sind Gespräche über Politik ebenso
abträglich, finden die staatlichen Herausgeber: "Vermeiden Sie die
chinesische Politik, etwa die Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen
Friedens oder strategische Fragen zu Taiwan oder Tibet." Beim
Tiananmen-Massaker wurden am 4. Juni 1989 hunderte, vielleicht tausende
Menschen von chinesischen Sicherheitskräften getötet. Es war die blutige
Niederschlagung der Demokratiebewegung. Für den Fall, dass Taiwan seine
Unabhängigkeit von China erklärt, hat Peking mit einem Angriff gedroht. Und
seit das Reich der Mitte 1950 Tibet besetzte, werden immer wieder Vorwürfe
wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gegen Peking erhoben.
Kritik von Amnesty International
Als "schändlich" bezeichnete
Marcelle Roux, Vorsitzende der Organisation France Tibet, den offiziellen
Ratgeber. Elisabeth Alles von der Liga für Menschen- und Bürgerrechte nannte
sie skandalös. Kritik kommt auch von Amnesty International. Die Empfehlungen
stünden in Einklang mit der zunehmend zurückhaltenden Politik von Paris und
anderer europäischer Regierungen gegenüber der Menschenrechtslage in China.
"Sie fassen China in dieser sensiblen Frage nur noch mit Samthandschuhen
an", sagte Amnesty-Sprecher Francis Perrin. "Dabei ist auf lange Sicht
nichts gewonnen, wenn man Schlüsselthemen unter den Teppich kehrt."
Außenamt distanziert sich
Auf dem Umschlag des Ratgebers
prangen die Logos des Tourismusministeriums und der Fremdenverkehrsagentur
Maison de la France. Dazu findet sich das Leitmotiv der französischen
Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
Maison-de-la-France-Sprecher Franck Paillard verteidigte die defensive
politische Haltung und erklärte, Ziel sei es, Gäste aus China nicht zu
verärgern. "Es ist nicht so, dass wir die Themen nicht ansprechen wollten",
sagte er. "Aber die Chinesen fühlen sich dadurch ganz offensichtlich
gestört."
Das französische Außenministerium distanzierte sich inzwischen von der Broschüre. Diese spiegle in keiner Weise eine gewandelte Haltung Frankreichs gegenüber China wieder, erklärte das Außenamt.