Reisefrust statt Reiselust
Mängel im Urlaub richtig reklamieren
01.09.2011Frankfurter Tabelle liefert Anhaltspunkte für Preisminderungen.
Auch heuer kehren wieder viele Touristen enttäuscht aus den Ferien zurück. Am Urlaubsort kann vieles passieren: Das Hotel ist überbucht und man landet in einer Absteige, statt "feinem Sandstrand" findet man eine Felsenbucht vor, anstelle der wohlverdienten Ruhe quält Baulärm. Die Beschwerden, die in der Hauptreisezeit bei der ÖAMTC-Rechtsberatung eingehen, sind vielfältig. "Prinzipiell gilt der Grundsatz der Prospektwahrheit. Alles was in der Reisebroschüre beschrieben oder mit Fotos beworben wird, gilt demnach als fixe Zusage des Veranstalters. Werden die Leistungen nicht in der vereinbarten Form erbracht, spricht man von Mängeln und die Kunden haben das Recht auf Gewährleistung", erklärt ÖAMTC-Chefjurist Andreas Achrainer. Der Veranstalter muss also - unabhängig ob ihn ein Verschulden trifft oder nicht - für die versprochenen Leistungen einstehen.
Preisminderung
Die "Frankfurter Tabelle" (synonym auch "Frankfurter Liste") richtet sich nach der Judikatur eines Frankfurter Reiserechtssenates und liefert Anhaltspunkte, wie viel für welche Mängel zurückverlangt werden kann. So ist beispielsweise eine Preisminderung von zehn bis 50 Prozent möglich, wenn man Ungeziefer als Mitbewohner im Zimmer vorfindet. Für Lärmbeeinträchtigung in der Nacht können zehn bis 40 Prozent zurückverlangt werden, bei Lärm am Tag fünf bis 25 Prozent. "Die Liste nennt viele weitere Beispiele für typische Mängel, von zu großer Strandentfernung über fehlende Einrichtungsgegenstände bis hin zu Strom-, Wasser- und Fahrstuhlausfällen", weiß der ÖAMTC-Rechtsexperte. Auch die österreichischen Gerichte orientieren sich an der Frankfurter Liste.
Zur Orientierung
Zur Beurteilung wird auch die "Wiener Liste" herangezogen. "Die Wiener Liste ist eine Zusammenfassung der Judikatur des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien und des Handelsgerichts Wien in Reiserechtssachen. Aus ihr lässt sich zwar die Tendenz dieser Gerichte bei der Bewertung von Reisemängeln ablesen, als Ersatz für die seit Jahren bewährte Frankfurter Liste wird sie jedoch nicht gesehen", erklärt der ÖAMTC-Chefjurist. Generell dienen beide Listen nur der groben Orientierung und sind keineswegs bindend. "Die Veranstalter sind nicht gezwungen, genau die angeführten Prozentsätze zu bezahlen. Im Einzelfall müsste das, sofern es zu keiner außergerichtlichen Einigung kommt, vom Gericht entschieden werden", stellt Achrainer klar.
ÖAMTC-Rechtsberatung gibt Tipps für richtiges Reklamieren bei verpatzten Reisen
* Sobald ein Mangel auffällt, sollten gleich vor Ort Maßnahmen verlangt werden. "Wenn beispielsweise das bestellte Zimmer nicht der Beschreibung im Prospekt entspricht, kann man eine umgehende Umquartierung reklamieren. Dafür muss man auch keine Aufzahlung leisten", erklärt der ÖAMTC-Rechtsexperte.
* Wenn keine Verbesserung erfolgt oder möglich ist (aus einer Felsenbucht kann kein Sandstrand gemacht werden) ist es ratsam, sich vom örtlichen Reiseveranstalter eine schriftliche Bestätigung geben zu lassen. "Damit kann man nach der Rückkehr Ansprüche auf Preisminderung leichter durchsetzen", weiß Achrainer. Beweise für die beanstandeten Mängel sollten so schnell wie möglich gesichert werden. Fotos, Videos und Aussagen von Leidensgenossen verbessern die Beweislage.
* Seit Anfang 2004 ist es möglich, Schadenersatz für "entgangene Urlaubsfreude" geltend zu machen. "Wenn der Erholungswert beeinträchtigt ist, kann es auch für immaterielle Schäden Ersatz geben", stellt der ÖAMTC-Jurist klar.
* Wenn erhebliche Mängel trotz aller Reklamationen nicht beseitigt werden, kann als letzter Ausweg eine vorzeitige Rückreise notwendig werden. Da die Kosten dafür zunächst selbst zu begleichen sind, sollte man in so einem Fall mit den ÖAMTC-Juristen Kontakt aufnehmen, die für Club-Mitglieder im Notfall rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Den Kontakt zu den Juristen findet man unter www.oeamtc.at/recht.
* Nach der Rückkehr ist es wichtig, so schnell wie möglich beim Reiseveranstalter zu reklamieren. "Die Reklamation sollte auf jeden Fall schriftlich und eingeschrieben erfolgen. Wenn der Anspruch zu Recht besteht, hat eine Barauszahlung der Preisminderung zu erfolgen", erklärt Achrainer. Sollte es sich allerdings um eine Kulanzleistung handeln, kann der Reiseveranstalter auch einen Gutschein anbieten.
* Gewährleistungsansprüche müssen binnen zwei Jahren ab Rückkehr aus dem Urlaub, Schadenersatzansprüche binnen drei Jahren ab Eintritt des Schadens gerichtlich geltend gemacht werden. "Es empfiehlt sich jedoch, seine Ansprüche so rasch wie möglich geltend zu machen, um nicht in Beweisnotstand zu geraten", erklärt der ÖAMTC-Chefjurist abschließend.
Mehr Infos: www.oeamtc.at/reiserecht