Der Kopf – der „wichtigste Muskel beim Klettern“
19.04.2017Wie schon das Sprichwort andeutet, kommt es bei diversen Outdoor-Aktivitäten neben der Freude an Bewegung an der frischen Luft und ausreichender Fitness vor allem auch auf Köpfchen an.
Sich der Gefahren der Natur bewusst zu sein und verantwortungsbewusst zu handeln, hat sich leider in vielen Köpfen der Österreicher jedoch noch nicht in dem Maße breitgemacht, wie Experten und Outdoor-Fachleute nicht müde werden, zu bemängeln.
Keine gesetzliche Helmpflicht
Auf optimalen Schutz gerade der hochsensiblen Kopfpartie wird niemand verzichten wollen, wer mit Köpfchen klettern oder mit Verstand in den Bergen wandern will. Mehr als jeder Dritte frönt im Sommerurlaub am liebsten seiner Wanderleidenschaft, drei Viertel unter ihnen zieht es im Outdoor-Urlaub dann vor allem in die Berge. Leider wird dabei jedoch allzu gerne auf das Tragen eines Schutzhelms gerade in alpinem Gelände verzichtet, zumal er laut Gesetzgeber nicht vorgeschrieben ist.
Zwar ist für Kinder und Jugendliche in einigen Bundesländern ein Schutzhelm beim Ski- und Radfahren verpflichtend vorgeschrieben, was aber nicht für Erwachsene etwa beim Trekking und Bergwandern gilt.
Gerade wenn es im nächsten Urlaub ins Mittelgebirge gehen soll, sind Gefahren etwa durch herabstürzende Felsbrocken allgegenwärtig und bedürfen ernsthafter Überlegungen von verantwortungsbewussten Outdoor-Akteuren, ob nicht doch das Tragen eines Schutzhelms sinnvoller wäre. Denn wer will schon auf optimalen Schutz und Sicherheit verzichten, wie sie etwa ein Trekking-Helm modernster Generation bieten kann?
Anforderungen an Kletterhelme
Die DIN EN 12492 ist für Bergsteigerhelme dabei maßgeblich und legt die sicherheitstechnischen Anforderungen und Prüfverfahren fest, die im Zusammenhang umfassenden Kopfschutzes relevant sind:
- Kinn-Band mit einer Bruchlast von mindestens 25kg: Verhindert das Wegreißen des Helms vom Kopf bei einem Zusammenstoß mit einem Objekt
- Seitenaufprallschutz.
Die DIN EN 12492 definiert, dass bei einem Sturz eines fünf Kilo schweren Gesteinsbrockens aus zwei Metern Höhe auf den Helm noch eine maximal zulässige Gesamtkraft von zehn Kilonewton auf den Kopf einwirken darf.
Im Gegensatz zu Bau- oder Fahrradhelmen, die ähnlichen Anforderungen unterliegen, weisen Kletterhelme jedoch geringe Belüftungs-Vorkehrungen etwa durch Luftöffnungen und -schlitze auf – und das mit gutem Grund: Denn kleinste Stein – und Geröll-Partikel könnten durch Belüftungsschlitze direkt auf die Haut auftreffen und Verletzungen verursachen. So kann etwa ein kleiner Stein in einer 300 Meter Wand die Wirkung eines Projektils erreichen.
Auch ein Vorkletterer beispielsweise kann gerade im alpinen Gelände selbst bei größter Sorgfalt nie ganz vermeiden, dass keine Steine herunterfallen. Und: Herabfallende Steine stören Kletterer in ihrer mitunter lebenswichtigen Konzentration gerade besonders dann, wenn der eigene Kopf nicht gesichert ist.
Alle normierten Kletterhelme müssen daher grundsätzlich in der Lage sein, von außen einwirkende Kräfte in Form von Steinschlägen oder Stößen auf die Kopfpartie durch Verpuffung oder Material-Verformung zu neutralisieren, indem eine schützende Knautschzone gebildet wird.
Drei Grundtypen
Abgesehen von den normierten Mindestanforderungen, die ein Kletterhelm erfüllen muss, gibt es anhand einiger Kriterien jedoch einige wesentliche Unterschiede, je nach Bauart. Denn grundsätzlich muss bei Kletterhelmen zwischen drei Typen unterschieden werden:
- Hartschalen Kletterhelme
- Hybridschalen Kletterhelme und
- Schaumschalenhelme.
Eine Übersicht über die unterschiedlichen Helme lässt sich hier online finden. Jeder Helmtyp hat seine ganz spezifischen Eigenschaften und ist für ganz eigene Zwecke geeignet.
Hartschalen-Kletterhelme sind meist wesentlich schwerer als Schaumschalenhelme und werden üblicherweise aus einem Stück Polycarbonat, Carbon oder Kevlar gegossen. Hartschaumhelme dagegen sind durch Einsatz von Polypropylen oder Polystyren wesentlich leichter und werden im sogenannten „InMold-Verfahren“ mindestens aus zwei Lagen hergestellt, die miteinander verschweißt sind: einer äußeren, extrem harten und schweren Kunststoff-Haut und einem wesentlich weicheren Schaumkern.
Während sich gängige Gewichte von Hartschalenhelmen in Bereichen zwischen 300 und 500 Gramm bewegen, bietet der Fachhandel mittlerweile Schaumschalenhelme von weniger als 200 Gramm Gewicht an.
Sie federn Stöße sowohl mithilfe der robusten Außenschale als auch der gepolsterten Innenschale ab, während Hartschalen-Ausführungen mechanische Einwirkungen von außen neben der schützenden stabilen Außenhülle vor allem auch durch das Innengurt-System ausgleichen.
Hart im Nehmen?
Hartschalenhelme sind wesentlich robuster als Hartschaum-Ausführungen und werden dagegen nicht gleich unbrauchbar, wenn sie einmal auf den Boden fallen oder einem sonstigen heftigen Stoß ausgesetzt waren. Auch können sie kurzzeitig getrost auch einmal als Sitzgelegenheit zweckentfremdet werden. Schaumschalenhelme verzeihen diese Behandlung nicht so ohne Weiteres.
Mit zunehmender Frequenz äußerer Einwirkung werden jedoch auch Hartschalen-Ausführungen mit der Zeit ineffektiver, was die Fähigkeit angeht, Belastungen aufnehmen und harte Stöße optimal abfedern zu können. Daher raten Experten zu einem Austausch von gebrauchten Helmen circa alle fünf Jahre. Hartschaum-Ausführungen sollten dagegen bereits nach einer ersten stärkeren Außeneinwirkung aussortiert werden, da die Schutzfunktion schon jetzt erheblich eingeschränkt sein kann.
Hybrid-Modelle stellen einen Kompromiss zwischen den positiven Eigenschaften von Hartschalen- und Hartschaumhelmen dar. Während die Außenhaut hier aus einer besonders widerstandsfähigen Schicht besteht und extrem hart ist, befindet sich im Innern eine weichere Lage aus Hartschaum, meist in Form von sogenanntem expandiertem Polystyrol-Hartschaum (EPS). Trotz doppelter Sicherheits-Ausstattung beträgt das Gesamtgewicht bei Hybrid-Modellen weniger als bei Hartschalen-Ausführungen.
Alles passt?
Jeder Kopf ist anders. Daher ist besonders wichtig, gleich mehrere Helme vor dem Kauf anzuprobieren, da nicht jedes Modell gleichermaßen auf eine bestimmte Kopfform passt. Grundsätzlich sollte ein Trekking- oder Outdoor-Helm bequem gepolstert sein. Individuell justierbare Verstell-Mechanismen und -systeme (Riemen und Schnallen, Plastikratsche, Klettverschluss, Rädchen) helfen zusätzlich, für passgenauen Halt zu sorgen.
Vor dem Hintergrund gilt die Faustregel: Zwischen Schale, Polsterung und Kopf darf kein Spiel herrschen, sodass der Helm selbst beim unbefestigten Hin- und Her-Schütteln des Kopfes nicht wackeln darf.
Der Kinnriemen sollte gerade so stramm sitzen, dass er nicht einschnürt. Um Druckbelastungen vorzubeugen, helfen gepolsterte Kinn-Bänder. Bei Kletterhelmen aus Hartschale erfolgt die passgenaue Justierung über die Bebänderung - ein spezielles Gurtsystem, das unter dem Kinn verschlossen wird.