WM-Debakel

Argentinien versinkt in Trauer

04.07.2010

Ein ganzes Land am Boden, Zukunft von Teamchef Maradona noch offen.

Zur Vollversion des Artikels
Zur Vollversion des Artikels

Diego Maradona bot ein Bild des Jammers, voller Mitgefühl schloss Tochter Dalma ihren Papa noch im Kabinengang in die Arme. Vom Stolz auf seine argentinische Nationalmannschaft war wenig übrig geblieben. Genau wie der am Boden zerstörte Superstar Lionel Messi kämpfte der einstmals weltbeste Fußballer am Ende seiner gescheiterten WM-Mission auf dem Rasen mit den Tränen. "Eine solche Traurigkeit habe ich nur an dem Tag empfunden, an dem ich mit dem Fußball aufhörte", gestand Maradona mit gebrochener Stimme.

Rücktritt nicht ausgeschlossen
Im ersten Frust über das Viertelfinal-Aus wollte er einen Rücktritt nicht ausschließen: "Ich weiß nicht, was morgen passiert. Ich muss das zuerst mit meiner Familie und den Spielern besprechen."

Beten half nichts
Die Zuversicht der vergangenen Tage wich der Fassungslosigkeit. Die Suche nach den Gründen für das 0:4 gegen Deutschland fiel Maradona sichtlich schwer. Hilflos hatte er an der Seitenlinie seinen Rosenkranz geknetet. Hilflos hatte er mitansehen müssen, wie sein Team um "Magier" Messi entzaubert wurde. Den Gang vor die Weltpresse hätte sich Maradona gern erspart. Zu tief saß der Schmerz über den Knockout. "Es war ein Schlag wie von Muhammad Ali. Das ist die härteste Niederlage meines Lebens", meinte Maradona.

Lehrstunde für Argentinien
Wieder einmal entpuppten sich alle Hoffnungen der "Gauchos" auf eine Fußball-Renaissance als Wunschdenken. Nach der Lehrstunde unter dem Tafelberg trug die ganze Nation Trauer. Der Versuch des zweifachen Weltmeisters, sich bei den Deutschen für das Viertelfinal-Aus bei der WM 2006 zu revanchieren, scheiterte kläglich. Anders als in Berlin ging die "Albiceleste" regelrecht unter. "Die Weltmeisterschaft von Maradona und Messi endete mit einer Tracht Prügel. Und wie die uns allen wehtut. Es wird Jahre dauern, das zu vergessen", kommentierte die Zeitung "Ole" am Sonntag.

Weinender Messi nicht in Form
Selbst Superstar Messi blieb weit unter seinen Möglichkeiten. Bei seinen Dribblings lief er sich wiederholt in der deutschen Deckung fest, seinen Schüssen mangelte es altbekannter Präzision. Auch der fast väterliche Trost von Maradona, der den Weltfußballer nach dem Schlusspfiff umarmte und küsste, spendete kaum Trost. Voller Frust und ohne einen Treffer verließ der Profi des FC Barcelona die große Bühne. Geniale WM-Momente, für die Maradona noch heute weltweit verehrt wird, blieben seinem vermeintlichen Nachfolger Messi in Südafrika trotz einer ansprechenden Gesamtleistung verwehrt. Erst in der Kabine ließ der Ballkünstler seinen Gefühlen freien Lauf und weinte.

Auch Messis Teamkollegen verstanden die Welt nicht mehr. Nach vier Siegen in vier Spielen und 10:2 Toren wähnten sie sich auf dem Weg zum dritten WM-Triumph. Doch das frühe Gegentor in der 3. Minute zerstörte jegliches Selbstvertrauen. "Wenn ich heute mit dem Fußballspielen aufhören könnte, würde ich es tun", sagte Kapitän Javier Mascherano.

Maradona: "Habe keine Fehler gemacht"
Den Zorn der heimischen Presse aber bekam vor allem Maradona zu spüren. Unwirsch reagierte der Coach, der ohnehin mit einigen Journalisten in Argentinien auf Kriegsfuß steht, auf erste kritische Fragen unmittelbar nach dem Schlusspfiff. "Macht mir keine Vorwürfe. Ich habe keine Fehler gemacht", befand er.

Angesichts des großen öffentlichen Unmuts erscheint es sehr fraglich, dass seine bisher 20-monatige Amtszeit weitergeht, in der Maradona über 100 Spieler in den Kader berief. Zumal 2014 die WM im Land des argentinischen Erzrivalen Brasilien ansteht. Noch ein Scheitern und im Tango-Land würde wohl nur noch Trauermusik gespielt.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel