Nationalteam
Dag wartet auf Anruf des ÖFB
20.05.2009
Doppelstaatsbürger genießt Fußballer-Leben in Istanbul, schließt auch türkische Teamkarriere nicht aus.
So richtig wohl fühlt sich Ekrem Dag in der Nähe des Istanbuler Sükrü-Saracoglu-Stadions nicht. Direkt vor der Heimstätte des Stadtrivalen Fenerbahce muss sich der Besiktas-Spieler so manchen unfreundlichen Kommentar von Fenerbahce-Fans anhören, doch schon wenige Kilometer entfernt von jenem Ort, an dem Sebastian Prödl und Martin Harnik am Mittwochabend um die UEFA-Cup-Trophäe kämpften, aber noch immer auf der asiatischen Seite der Elf-Millionen-Stadt, lernt Dag wieder die angenehmen Seiten seiner Rolle als Stammspieler beim türkischen Cupsieger und Tabellenführer kennen.
VIP-Behandlung
Da wird etwa in einem voll besetzten Nobellokal
flugs ein Tisch freigemacht, sobald der 28-Jährige durch die Eingangstür
schlendert - schließlich will man einen gestandenen Besiktas-Profi als
Promi-Gast nicht vergraulen. "Als Fußballer in Istanbul tust du dir schon
leichter", schmunzelt Dag.
Durchbruch bei Sturm
Die Kehrseite hat der
österreichisch-türkische Doppelstaatsbürger zur Genüge erlebt. Bei Sturm
Graz schaffte Dag, der als achtjähriger Gastarbeitersohn nach Österreich
gekommen war, vor sieben Jahren den Durchbruch, dann aber geriet die
Karriere auch durch einen Bandscheibenvorfall ins Stocken und der
antrittsschnelle Kicker entschied sich im Sommer 2005 für einen Wechsel zu
Gaziantepspor, wo er sich schnell etablierte.
Bald zeigte Besiktas Interesse. "Sie wollten mich schon vor zwei Jahren haben, aber da hatte ich noch zwei Jahre Vertrag und der Präsident wollte fast drei Millionen Euro. Letztes Jahr haben sie sich dann auf eine Ablöse von einer Million Euro geeinigt, und Besiktas hat Gaziantepspor noch zusätzlich zwei Spieler gegeben", erzählt Dag.
Stammspieler
Der verheiratete zweifache Familienvater
unterschrieb im vergangenen Juni beim zwölffachen Meister einen Vertrag bis
2012. "Aber wenn ich in der ersten Saison nicht gleich gespielt hätte, wäre
ich jetzt im Sommer schon wieder weg." Dag schaffte auf Anhieb den Sprung in
die Einserformation, auch weil er äußerst vielseitig verwendbar ist.
Allrounder
"Im letzten Spiel war ich linker Flügel, davor rechter
und linker Verteidiger und auch im zentralen Mittelfeld. In der Türkei
nennen sie mich schon den Jolly Joker." Neben der Tormann-Position kommt
gerade einmal die Rolle als Innenverteidiger oder als Zentrumsstürmer für
den 1,75 Meter großen Spieler nicht infrage, ansonsten ist Dag flexibel.
"Ich weiß eben, welche Aufgaben man in welchen Positionen erfüllen muss."
Noch kein ÖFB-Anruf
Durch seinen Stammplatz beim
frischgebackenen türkischen Cupsieger wurde auch der österreichischen
Nationalteam-Betreuerstab auf Dag aufmerksam. Teamchef-Assistent Heinz
Peischl beobachtete den Türkei-Legionär am 4. April beim 1:0-Heimsieg von
Besiktas gegen Kayserispor, den Club von Turgay Bahadir. Auf einen Anruf des
ÖFB wartete Dag aber noch vergeblich. "Bisher hat mich niemand kontaktiert."
Gegen eine Nominierung für die WM-Qualifikationspartie am 6. Juni in Belgrad gegen Serbien hätte er nichts einzuwenden. "Ich würde gern für Österreich spielen." Doch was passiert, wenn eine Einberufung weiter auf sich wartenlässt? "Ich könnte mir auch vorstellen, für die Türkei zu spielen", meint Dag.
Fan-Magnet
Am Bosporus ist man sich der Qualitäten des
28-Jährigen eher bewusst als in Österreich, wo die türkische Liga keine
große Beachtung genießt. "Ich bin mir nicht sicher, ob man in Österreich
weiß, bei welchem Verein ich überhaupt spiele. Vielleicht glaubt man, ich
spiele für einen Club so wie Mattersburg. Aber vor jedem Heimspiel warten
schon einmal 15.000 vor dem Stadion auf den Mannschaftsbus, das Stadion
(Anm.: Kapazität von 32.000) ist jedes Mal ausverkauft und die Stimmung ein
Wahnsinn. Bei jedem Match werden rundherum die ganzen Straßenzüge
abgesperrt."
Meistertitel in Reichweite
Solche Szenen werden sich auch am
kommenden Sonntag beim Heimspiel gegen den Stadtrivalen Galatasaray
abspielen. Im Falle eines Sieges und eines gleichzeitigen Punkteverlustes
von Sivasspor und Trabzonspor wäre Besiktas schon eine Runde vor Schluss
Meister und damit fix in der Champions-League-Gruppenphase.