Löw nach 4:0 über Argentinien: "Das war das Niveau von Champions."
Deutschlands Teamchef Joachim Löw war nach dem 4:0 gegen Argentinien im WM-Viertelfinale hingerissen wie noch nie in sechs Jahren beim DFB. "Was die Mannschaft an Siegeswillen abgerufen hat, das war nicht nur internationales Niveau, das war Champions-Niveau", schwärmte der Bundestrainer nach 90 nahezu perfekten Minuten im Green Point Stadion von Kapstadt.
"Boy Group"
Vier Jahre nach dem emotionalen
WM-Sommermärchen zelebriert eine junge deutsche "Boy Group" in Südafrika ein
Fußball-Wintermärchen. "Es war einfach überwältigend. Das ist ein Traum",
jauchzte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die eine euphorische
Ansprache in der Kabine hielt. Ein am Boden zerstörter und von Löw taktisch
entzauberter Trainer-Novize Diego Maradona fühlte sich nach "der härtesten
Niederlage" seines Lebens so, als ob ihn Box-Legende Muhammad Ali mit einem
Fausthieb krachend niedergestreckt hätte.
Deutsche "wollen mehr"
Die Deutschen hingegen schweben
auf einer Glückswolke dem vierten Titel entgegen. "Jetzt fehlen nur noch
zwei Spiele - und dann haben wir das Ding", rief Lukas Podolski. "Wenn man
im Halbfinale steht, will man mehr", sagte Kapitän Philipp Lahm. "Jeder
weiß, dass der Weg noch weiter geht. Wir wollen natürlich auch bis zum Ende
durchmarschieren", verkündete Manager Oliver Bierhoff.
EM-Revanche im Halbfinale
8:1 gegen England (4:1) und Argentinien
(4:0) - die Welt wird in Südafrika Zeuge deutscher Fußball-Sternstunden. Und
auf dem Weg zum großen Traum türmt sich nun am Mittwoch im Halbfinale (20.30
Uhr) bei der EM-Revanche in Durban die nächste weltmeisterliche Prüfung
gegen Löws großes Vorbild Spanien auf. "Es ist wichtig, dass wir jetzt
emotional nicht überdrehen", warnte der frühere Tirol- und Austria-Trainer.
"Aber ich habe gespürt, dass die Spieler sofort weiterdenken." Löw will nun
nicht lockerlassen: "Da ist es wichtig, dass wir uns in den nächsten Tagen
besinnen und konzentrieren auf unsere Aufgaben."
Löws Master-Plan gegen Argentinien war bis auf eine kurze Phase, als Lionel Messi und Co. dem 1:1 nahe kamen, perfekt aufgegangen. Teamwork, unglaubliche Laufarbeit, prächtige Kombinationen und ein "Zweikampf-Verhalten auf höchstem Niveau" (Löw) waren die Schlüssel. "Wir haben es geschafft, Messi, Higuain und Tevez fast zu eliminieren", lobte der Bundestrainer.
Lücken bei Gauchos ausgemacht
Er wusste, dass die
Argentinier keine Einheit, sondern "eine zweigeteilte Mannschaft sind", eine
Offensiv- und eine Defensiv-Abteilung. "So entstehen Lücken, wenn man mit
Tempo kommt. Ich habe zu unseren Spielern gesagt: Ihr seid jünger, ihr seid
schneller, ihr seid ausdauernder."
Die Revanche gegen Spanien zwei Jahre nach dem 0:1 im EM-Finale flößt Respekt, aber keine Angst ein. "Ich spiele immer am liebsten gegen die Stärksten der Welt", verkündete Schweinsteiger, dem Löw das Spiel seines Lebens bescheinigte: "Er war herausragend in jeder Beziehung."
Nur Ronaldo besser als Klose
Mittlerweile werden die deutschen
Zahlen historisch. Nur ein K.o.-Spiel bei einer WM hat Deutschland höher
gewonnen, 1954 auf dem Weg zum "Wunder von Bern" mit 6:1 im Halbfinale gegen
Österreich. Klose zog mit 14 WM-Treffern mit "Bomber" Gerd Müller gleich,
nur der Brasilianer Ronaldo (15) rangiert noch vor dem 32-Jährigen. "Es
freut mich unglaublich für Miro. Er hat unglaubliche Qualitäten, das geht in
die Geschichte ein", kommentierte Löw.
Müller für Halbfinale gesperrt
Nur ein Wermutstropfen
schwamm im deutschen Freudenbecher: Die Gelb-Sperre von Shooting-Star Thomas
Müller gegen Spanien "wiegt schwer", wie Löw zugab. "Aber wir haben Spieler,
die Müller ersetzen können - das werden wir auch schaffen."
Ballack-Aus locker kompensiert
Löw hat bisher immer einen Plan
gefunden, auch aus Ballacks Aus machte er eine Tugend: "Wir haben nach
seiner Verletzung gesagt, okay, wir werden es schaffen, die Verantwortung
aufzuteilen und ihn zu ersetzen." Schon 2008 nach der finalen Niederlage in
Wien gegen Spanien hatte Löw sein WM-Drehbuch im Kopf: "Wir wollten den
Umbruch bewusst machen nach der EM."
Lehmann weg, Frings raus, Metzelder ausgemustert - und dafür immer neue Junge rein. Löw ging Risiko. "Wichtig war, dass wir den Jungen die Chance gegeben haben, auch wenn wir nicht immer alle Spiele gewonnen haben."