Österreichs Fußball-Nationalmannschaft weckt derzeit Erinnerungen an die Qualifikation für die EURO 2016. Wie damals wurden zehn Punkte aus den ersten vier Quali-Partien geholt, und wie damals ist eine Begeisterung rund um die ÖFB-Auswahl entstanden.
Beim 2:0 am Dienstag gegen Schweden tobten die Fans im ausverkauften Wiener Happel-Stadion so laut wie schon lange nicht mehr - sehr zur Freude von Teamchef Ralf Rangnick, der erst gar nicht versuchte, auf die Bremse zu steigen.
"Ich habe nichts dagegen, wenn die Zuschauer euphorisch sind", erklärte der Deutsche. Seine Kicker hätten sich die Zuneigung der Anhänger verdient. "Es war eine Willensleistung, die mich extrem freut und die bestätigt, dass sie vor lauter Siegeswillen nur so strotzen."
Rot-Weiß-Rot führt die Tabelle in Gruppe F drei Punkte vor den Belgiern an, die ein Match in der Hinterhand haben. Schweden liegt als Dritter ebenfalls bei einem Spiel weniger schon sieben Zähler hinter dem ÖFB-Team. Die nächste Quali-Partie steigt am 12. September in Solna wieder gegen Schweden, mit einem Sieg wäre das Ticket für die EURO 2024 in Deutschland praktisch fix. Rangnicks Rechnung ist simpel. "Wir haben jetzt die Hälfte der Spiele, in einer Meisterschaft würde man sagen die Hinrunde, gespielt. Wenn wir in der Rückrunde genauso viele Punkte machen, sind wir dabei."
Rangnick mit Warnung an die Konkurrenz
Nimmt man die jüngsten Leistungen der Nationalelf als Maßstab - aus den vergangenen sechs Länderspielen schauten fünf Siege und ein Remis heraus -, sollte eigentlich nichts mehr schiefgehen. "Man kann bei der Mannschaft in jedem Match sehen, was wir spielen wollen, auch in Phasen, in denen es nicht perfekt läuft. Das zeigt die herausragende Mentalität und Einstellung der Spieler", betonte Rangnick.
Dabei sei das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. "Sie haben gut gespielt, teilweise sehr gut. Aber sie wissen auch, dass sie bestimmte Dinge noch besser machen können." Am Dienstag betraf das unter anderem die Chancenauswertung. "Wenn der schwedische Tormann Robin Olsen nicht so gehalten hätte, hätte das Spiel deutlich höher ausgehen können", meinte Rangnick.
Es hätte aber auch anders kommen können, schließlich machte ÖFB-Goalie Alexander Schlager beim Stand von 0:0 zwei Möglichkeiten der Schweden zunichte. Der Salzburger übernahm das Einserleiberl vom an Hodenkrebs erkrankten Heinz Lindner und konnte den Teamchef überzeugen. "Er hat seine Aufstellung gerechtfertigt." Trotzdem ist ein Ende der Tormann-Diskussion nicht abzusehen, denn Schlager droht bei seinem neuen Club Red Bull Salzburg die Ersatzbank. Rangnick hofft, dass sich der 27-Jährige bei den "Bullen" in die Anfangsformation spielen kann. "Die Leistung heute wird ihm sicher nicht geschadet haben."
Grillitsch ist ein guter Quarterback
Ein weiterer Vater des Sieges war neben dem Doppeltorschützen Christoph Baumgartner auch Florian Grillitsch. Aufgrund der fehlenden Spielpraxis bei Ajax Amsterdam galt alleine schon die Nominierung des Niederösterreichers als Überraschung, dann fehlte er auch noch aus persönlichen Gründen beim 1:1 in Belgien. Dennoch bekam Grillitsch gegen Schweden seine Chance und nützte sie - sein kurz abgewehrter Volley ermöglichte das erlösende 1:0 für das ÖFB-Team. Rangnick lobte den Mittelfeldmann: "In den 20 Minuten, in denen er gespielt hat, kann man nicht viel besser machen."
Der Deutsche hatte bereits im Training positive Eindrücke von Grillitsch gesammelt. "Da hat er gezeigt, dass er nicht nur gut kicken kann und ein guter Quarterback ist, sondern auch einmal dazwischenpfeifen und Bälle erobern kann."
Weniger glänzen konnte ein weiterer Joker - Marko Arnautovic. Dennoch verteidigte Rangnick den ÖFB-Rekordinternationalen, der schon in Brüssel nicht zur Geltung gekommen war. "Er hat in den letzten Monaten relativ lange gefehlt. Es war erfreulich, dass er überhaupt für den Lehrgang fit geworden ist. Er hat uns aber schon relativ früh wissen lassen, dass er nicht glaubt, zwei Spiele am Stück durchzuhalten." Ähnlich habe sich die Situation bei Marcel Sabitzer dargestellt. Der Steirer kam nach kürzlich überstandener Knieverletzung nach Rücksprache mit dem Trainerteam ebenfalls von der Bank. Für Sabitzer und seine ÖFB-Kollegen geht es nun in den Urlaub, auf Rangnick hingegen wartet ab Mittwoch schon die nächste Herausforderung. "Die nächsten drei Tage ist Einzug in mein Haus in der Nähe von Salzburg. Dann bin ich endgültig Österreicher - nicht von der Nationalität, aber vom Wohnort", erzählte der bald 65-Jährige.