Grazer glauben trotz Last-Minute-Niederlage noch an ein Wunder.
Ambitioniert gespielt, bitter bestraft. Das Fazit von Sturm-Trainer Franco Foda nach der 1:2-(0:1)-Heimniederlage von Sturm Graz gegen Juventus Turin fiel zwiespältig aus. Denn die Steirer zeigten im Hinspiel der vierten und letzten Qualifikationsrunde zur Europa League eine vor allem in der zweiten Hälfte bessere Leistung als der Fußball-Gigant aus Italien, der durch zwei Treffer aus Standardsituationen mit dem "minimalen Aufwand zum maximalen Erfolg kam", wie die "Gazzetta dello Sport" befand.
Bittere Niederlage
"Das ist sehr schade, wenn man gegen
Juve ein 1:1 hat, gut spielt, gute Chancen hat und dann noch verliert",
sagte Sturm-Tormann Christian Gratzei, der einsehen musste: "Das ist
halt auch die Klasse, die Juventus besitzt." Ähnlich sah es Foda. "Wenn
man am Schluss nicht aufpasst, wird das von so einem Gegner bestraft",
sagte der Deutsche, der seiner engagierten Mannschaft ansonsten nur das
Beste konzedierte. "Sie hat toll gespielt und alles umgesetzt, was wir
wollten."
Juve fehlte Spielpraxis
Sturm nützte die schon nach 20 Minuten
einsetzende Passivität der Italiener, die sich nach dem frühen Führungstor
durch Leonardo Bonucci (16.) auf das Notwendigste beschränkten und des
öfteren auch die mangelnde Matchpraxis erkennen ließen. "Juve
ist leider noch nicht so weit wie erhofft, es gibt noch Höhen und Tiefen,
aber wir arbeiten daran, dass es besser wird", meinte der Coach der
Turiner, Luigi del Neri, nach dem etwas glücklichen Erfolg.
Grazer mit vielen Jungen
Fodas Zufriedenheit entsprang nicht
zuletzt der Tatsache, dass mit Florian Kainz, Dominic Pürcher und ab der 72.
Minute Christian Klem auch junge, unerfahrende Spieler ihren Mann standen. "Die
hätten vor zwei Monaten noch davon geträumt, gegen Juve zu spielen, und sie
haben ihre Sache gut gemacht", sagte Foda. Insbesondere Kainz erhielt
Lob, der kurzfristig für verletzten ÖFB-Teamkicker Andreas Hölzl einsprang
und eine respektlose Vorstellung zeigte. "Er hat mir im Training
gezeigt, dass er bereit ist. Er ist ein Spieler, der sich etwas zutraut, ein
Spieler mit Zukunft."
Jungstar Kainz zufrieden
Kainz selbst zeigte auch beim Interview
keine Scheu. "Ich bin stolz auf unsere Leistung, aber aus zwei
Standards darf man nicht zwei Tore kriegen", meinte der 17-jährige, der
bisher nur als Wechselspieler Einsätze erhalten hatte. "Ich habe
es aus dem Fernsehen erfahren, dass ich spiele", sagte Kainz, der eines
der Foda-Interviews vor der Partie auf einem TV-Schirm erspäht hatte. "Der
Trainer hat mir gesagt: 'Du hast nichts zu verlieren, geh einfach rein.'"
Möglichen Sieg vergeben
Sturm spielte nach dem
Seitenwechsel trotz optischer Überlegenheit lange Zeit freilich nur wenige
große Chancen heraus. Die Schlussoffensive zeigte aber Wirkung. Gordon
Schildenfeld, der schon zu Beginn der zweiten Hälfte bei zwei Möglichkeiten
Kopf und Fuß im Spiel hatte, köpfelte nach Bukvas Freistoß den Ausgleich
(82.). Und die Grazer blieben am Drücker, Imre Szabics hatte kurz darauf
sogar den Siegtreffer vor Augen. Anstatt den Triumph perfekt zu machen,
kassierte man in der Nachspielzeit nach einer Del-Piero-Ecke durch Amauri
aber noch das Tor zum 1:2.
Szabics: "Juve schwächeres Team"
"Wir waren
sehr gut eingestellt, haben ihnen alles abverlangt und hatten auch genug
Torchancen", befand Szabics. "Der Unterschied, wie er im Budget da
ist, den habe ich am Feld nicht gesehen. Juve war das schwächere Team, weil
sie aus dem Spiel heraus nicht so viele Chancen hatten." Der Ungar war
überzeugt: "Mit dieser Leistung haben wir uns Respekt erkämpft und
können stolz sein. Wenn wir im Rückspiel in Führung gehen, ist alles drin.
Die Chancen stehen 30:70."
Auch Foda hat noch Hoffnung. "Das ist ein Ergebnis, wo noch alles möglich ist", meinte der Coach. Ins selbe Horn stieß Gratzei: "Natürlich kann man noch etwas machen. Die Sache ist sicher verdammt schwer, aber wir glauben an unsere Chance."
Italienische Pressestimmen zum Spiel
"Gazzetta dello Sport": "Sturm Graz spielte zwar nicht besonders gefährlich, doch in der ersten Hälfte ist es der Mannschaft gelungen, Juves Abwehr anzugreifen. Das Match ist nicht so reibungslos verlaufen, wie es sich Trainer Gigi Del Neri erhofft hatte. Jetzt genügt Juve ein Remis im Heimspiel, um die Qualifikation zu schaffen". "Corriere dello Sport": "Juventus stotterte am Anfang in Graz, konnte sich jedoch durchsetzen, weil die Mannschaft mehr auf Mut und Energie als auf Erfahrung und Tradition zurückgriff. Eigenschaften, die sie in der vergangenen, verheerenden Saison verloren hatte. Wenn sie angreifen, sind die Grazer gefährlich. Sturm ist trotz offenkundiger Mängel vor allem bei den Mittelfeldspielern in guter Form." "Tuttosport": "Juventus startet gut in die neue Saison. Die Weiß-Schwarzen überrollten Sturm Graz, das unter dem Druck orientierungslos reagierte." "Corriere della Sera": "Turin ist Europa näher gerückt. Das erste Ziel der Saison für Juventus, der Eintritt in die Europa League, ist in greifbarer Nähe. Sturm spielte mit einem 4-2-4-Schema und ließ genügend Raum übrig, damit Juve gute Gelegenheiten vorfand." "La Stampa": "Die Grazer hatten auf ein 1:1 gesetzt, um weiter auf die Qualifikation hoffen zu können. Doch Amauri hat den Traum vernichtet. Das Resultat spiegelt jedoch nicht die mangelhafte körperliche Verfassung der Juventus-Spieler wider. Bei den Österreichern sah man, dass deren Meisterschaft längst begonnen hat". |