In der Stunde seines größten Triumphes als österreichischer Fußball-Teamchef hat Franco Foda seinen sachlich-nüchternen Wesenszug beiseitegelegt.
Unmittelbar nach dem 1:0 über die Ukraine und dem damit verbundenen Einzug ins EM-Achtelfinale gegen Italien vollführte der Deutsche am Montag auf dem Rasen der Bukarester Arena Nationala Freudentänze, machte vor den mitgereisten heimischen Fans die Welle und umarmte seine Spieler und sogar ÖFB-Präsident Leo Windtner.
"Die schönsten Momente im Fußball"
Das große Ziel, die rot-weiß-rote Auswahl erstmals in eine EURO-K.o.-Phase zu führen, wurde erreicht. Damit will sich Foda aber nicht begnügen - der Coach spekuliert mit einer Überraschung am Samstag im Wembley-Stadion, auch wenn Italien bisher von allen Endrunden-Teilnehmern den vielleicht stärksten Eindruck hinterlassen hat. "In einem Spiel ist alles möglich. Wenn du im Achtelfinale bist, willst du natürlich auch ins Viertelfinale", sagte Foda.
Kurz nach dem Schlusspfiff war der Teamchef von seinen Gefühlen überwältigt. "Die Emotionen waren großartig, das sind die schönen Momente im Fußball", erzählte Foda, bedankte sich überschwänglich bei seinem Betreuerstab und allen ÖFB-Mitarbeitern und hob die historische Bedeutung des Erfolgs hervor: "Wir wollten Geschichte schreiben, das war immer schon unser Thema."
Nach dem 3:1 über Nordmazedonien, dem ersten Sieg der ÖFB-Mannschaft überhaupt bei einer EM, gelang nun auch der Einzug in die K.o.-Phase - und das mit einer durchaus beeindruckenden Leistung. "Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft, wie sie aufgetreten ist. Man hat von der ersten Minute an gespürt, dass wir gewinnen wollen", erklärte Foda.
Als kleinen Wermutstropfen bewertete Foda die Tatsache, dass die Partie nicht schon früher entschieden wurde. "Das einzige Manko war, wir hätten schon in der ersten Hälfte mehr Tore erzielen müssen. Und in der zweiten Hälfte haben wir die Kontersituationen nicht gut zu Ende gespielt." Als Kritik wollte der Nationaltrainer dies jedoch nicht verstanden wissen - zu groß war die Freude über das eben Erreichte.
Der Auftritt sei "beeindruckend" und "eine Top-Leistung zum richtigen Zeitpunkt" gewesen, gab Foda zu Protokoll, wollte aber nicht von der besten Nationalteam-Leistung unter seiner Führung sprechen. "Wir haben auch in der EM-Qualifikation viele gute Spiele gemacht, sonst hätten wir uns nicht qualifiziert", betonte Foda und nannte in diesem Zusammenhang außerdem den Nations-League-Auswärtssieg im September des Vorjahres gegen Norwegen.
Noch am Montagabend stand fest, dass seiner Truppe auch ein Remis gegen die Ukraine zum Aufstieg gereicht hätte - in diesem Fall wäre man als einer der vier besten Gruppendritten im Achtelfinale gewesen. "Aber wir haben nie darüber gesprochen, dass uns ein Unentschieden genügen würde", beteuerte Foda.
Im nächsten ÖFB-Spiel wird es definitiv kein Remis geben. Österreich bestreitet erstmals seit dem Sieg gegen Uruguay am 3. Juli 1954 in Zürich im Spiel um WM-Platz drei bei einem großen Turnier eine Partie, in der es einen Sieger geben muss. Gegen Italien geht man als klarer Außenseiter ins Spiel. "Im ersten Moment schaut es so aus, als ob die Aufgabe unlösbar wäre, weil die Italiener seit Ewigkeiten kein Match verloren haben. Aber wenn wir so auftreten wie heute und noch eine Schippe drauflegen, haben wir auch die Möglichkeit, gegen Italien bestehen zu können", sagte Foda.
Die "Squadra Azzurra" ist seit 30 Länderspielen ungeschlagen und hat ihre jüngsten elf Partien mit einem Torverhältnis von 32:0 gewonnen. "Irgendwann kommt der Tag, wo auch bei Italien etwas nicht funktioniert", vermutete Foda, Sohn eines Italieners. Der Coach wird von Scouts mit Infos über den vierfachen Weltmeister versorgt, zudem sah er zwei der drei Gruppenspiele Italiens live im Fernsehen. "Ich habe schon einen Plan, wie wir gegen sie spielen können", erzählte der Nationaltrainer.
Ein mögliches Elfmeterschießen spielt in diesem Plan laut Foda nicht wirklich eine Rolle. Man wolle gegen den großen Favoriten keine Abwehrschlacht abliefern, sondern selbst initiativ werden. "Ich gehe davon aus, dass die Partie nicht 0:0 ausgehen wird", sagte Foda, der gegen Italien wohl wieder auf den wegen einer Kopfverletzung ausgetauschten Goldtorschützen Christoph Baumgartner setzen kann. "Es geht ihm so weit gut. Er hatte Schwindelprobleme, deshalb haben wir uns entschlossen, ihn auszuwechseln", berichtete der Teamchef.
Foda hat nach eigenen Angaben seit zwei Wochen keine Zeitung mehr gelesen, auch nicht nach dem Auftaktsieg gegen Nordmazedonien. "Ich wollte mich einfach von nichts beeinflussen lassen. Aber vielleicht schau' ich morgen rein", schmunzelte der ehemalige Sturm-Graz-Trainer.