Ein Treffer in der Nachspielzeit beschert den Russen doch noch einen Punkt.
Die als Mitfavorit gehandelten Engländer haben die Fußball-EM 2016 mit einem enttäuschenden 1:1-Remis gegen Russland begonnen. Der eingewechselte Denis Gluschakow traf am Samstagabend in Marseille in der zweiten Minute der Nachspielzeit. England war zuvor durch einen Freistoß von Eric Dier in Führung gegangen und hatte die Partie über weite Strecken dominiert.
Die Engländer blieben damit auch bei ihrem neunten Versuch bei einer Europameisterschaft ohne Sieg im ersten Match. Zuvor hatte England in den ersten Endrunden-Spielen viermal unentschieden gespielt und vier Niederlagen kassiert.
Die Tabellenführung in der Gruppe B schnappte sich nach dem ersten Spieltag Wales, das sich am Nachmittag gegen die Slowakei mit 2:1 durchgesetzt hatte. Die Engländer erwarten die Waliser am Donnerstag (15.00 Uhr) in Lens zum rein britischen Duell. Russland ist bereits am Vortag (15.00 Uhr) in Lille gegen die Slowakei gefordert.
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Vor allem in der ersten Hälfte agierten die spielerisch überlegenen Engländer vor dem gegnerischen Tor nicht gerade glücklich, ließen so zahlreiche Chancen liegen. Russland hingegen war zu sehr mit Abwehrarbeit beschäftigt, um offensiv überhaupt nennenswert in Erscheinung zu treten. Die meiste Zeit führte das Team von Trainer Leonid Sluzki ein Rückzugsgefecht.
England begann mit einem 4-3-3-System, in dem Raheem Sterling und Adam Lallana als Außenstürmer den zentraler Angreifer Harry Kane flankierten. Kapitän Wayne Rooney gab dahinter eine Art Ballverteiler, kam mit der ungewohnten Rolle aber sehr gut zurecht. Bei den wenigen Vorstößen der Russen kehrte der 30-Jährige fallweise auch seine Defensivqualitäten hervor.
Die junge englische Mannschaft zog schon in den ersten 20 Minuten das Tempo an. Das offensive Dreieck spielte sich mehrere Möglichkeiten heraus, wobei speziell Lallana von sich reden machte. In der siebenten Minute rettete der russische Torhüter Igor Akinfejew bei einem Schuss des Liverpool-Spielers, der wenig später nach einer schönen Kombination über mehrere Stationen aus halbrechter Position knapp verzog.
Russland agierte praktisch mit dem Rücken zur Wand. Ein Treffer von Kane in der 28. Minute wurde zu Recht wegen einer Abseitsstellung aberkannt. In der 35. Minute prüfte Rooney Akinfejew mit einem wuchtigen Rechtsschuss, der Keeper von ZSKA Moskau klärte per Faustabwehr.
Zu Beginn der zweiten Hälfte kam auch Russland zu Chancen. Am lautesten klopfte Fjodor Smolow (63.) mit einem verdeckten Weitschuss an, der nur knapp rechts am Tor von Joe Hart vorbeizog. Trotzdem hatte England nach wie vor mehr vom Spiel. In der 71. Minute drehte Akinfejew einen Schuss von Rooney aus 15 Metern mit einem starken Reflex an die Stange, wenig später schlug Dier zu.
Der defensive Mittelfeldspieler von Tottenham Hotspur verwertete einen umstrittenen Freistoß direkt, bei dem die Mauer nicht optimal postiert gewesen war. Für den Clubkollegen von ÖFB-Verteidiger Kevin Wimmer war es der zweite Treffer im Nationalteam. Das erste war ihm im vergangenen März beim 3:2-Sieg gegen Deutschland in Berlin in der 91. Minute per Kopf gelungen. Der in der 80. Minute eingewechselte Gluschakow köpfelte allerdings nach einer Fehlerkette in der englischen Abwehr aus kürzester Distanz ein und vereitelte den sicher scheinenden Sieg.
Kurz vor dem Ende der Partie ist es im Stadion zu Ausschreitungen gekommen. Russische und englische Fußball-Anhänger gingen im Stade Velodrome aufeinander los. Auslöser waren russische Zuschauer, die hinter dem Tor von Englands Keeper Joe Hart auf in einem benachbarten, neutralen Block sitzende englische Fans losstürmten.
Einige Zuschauer mussten in Panik über Absperrungen in den Innenraum springen, um sich in Sicherheit zu bringen. Zumindest zu Beginn dieser Ausschreitungen war keine Polizei zu sehen. Die wenigen postierten Ordner waren mit den Geschehnissen sichtlich überfordert. Es waren die ersten Ausschreitungen während dieses Titelkampfes in einem Stadion.
Schon während der Partie, bei der Russland in der Nachspielzeit noch den 1:1-Ausgleich erzielte, waren einige Male Leuchtraketen aus dem russischen Block abgefeuert worden. Auch ein lauter Böller war zu hören. Vor der Begegnung hatte es den ganzen Tag über Auseinandersetzungen mit mehreren Verletzten in der Stadt gegeben.