Porträt
Russland: Sluzki hauchte der Sbornaja Leben ein
06.06.2016
Die Russen wendeten nach Trainerwechsel die "Katastrophe" ab.
So mancher hatte Russland schon abgeschrieben. Doch der WM-Gastgeber 2018 wendete die "Katastrophe" (Sportminister Witali Mutko) ab und sicherte sich als Qualifikationszweiter hinter Österreich in letzter Sekunde das EM-Ticket. Knackpunkt dabei war die millionenschwere Trennung von Coach Fabio Capello, dessen Nachfolger Leonid Sluzki der Sbornaja neues Leben eingehaucht hat.
Zwar führte Capello die Russen als Gruppensieger zur WM 2014 nach Brasilien. Doch schon das sang- und klanglose Gruppenphasen-Aus war dem Selbstverständnis der ambitionierten Sportgroßmacht nicht zuträglich. Schwache Vorstellungen zum Auftakt der EM-Qualifikation ließen weitere Zweifel am italienischen Startrainer laut werden, das 0:1 gegen Österreich in Moskau im Juni 2015 brachte das Fass dann endgültig zum Überlaufen: Leonid Sluzki, zugleich Coach von ZSKA Moskau, übernahm im August das Ruder.
Mega-Abfertigung
Die rund 15 Millionen Euro teure Abfertigung für Capello amortisierte sich schnell. Nach der Übernahme durch Sluzki, den ersten russischen Teamchef seit Alexander Borodjuk im Jahr 2006, gewannen die Russen alle vier Qualifikationsspiele und hievten sich vor Schweden noch auf Platz zwei von Gruppe G. Es war nicht immer schön, was die Russen im Quali-Finale zeigten, aber der Teamgeist war wieder da. Ob das in der EM-Gruppe B mit England, der Slowakei und Wales reicht, bleibt abzuwarten.
Die personellen Änderungen Sluzkis waren überschaubar, die wichtigste betraf wohl Stürmer Artjom Dsjuba. Unter Capello selten erste Wahl, wies ihm Sluzki wieder eine zentrale Rolle zu - und der Mann von Zenit St. Petersburg dankte es ihm mit sechs Treffern. Unter Sluzki lief auch Spielmacher Roman Schirokow wieder zu gewohnter Form auf. Nicht zuletzt baute Sluzki auch junge Hoffnungsträger wie Spielmacher Ilja Maximow von Anschi Machatschkala und Alexander Golowin (ZSKA Moskau) ein. Wie stets bei den Russen gilt: Fast alle Kicker sind in der russischen Liga engagiert.
Top-EM-Team
Nimmt man die Vergangenheit als Sowjetunion dazu, sind die Russen eines der erfolgreichsten Teams, insgesamt landete man bei einer EM sechs Mal in den Top vier - zuletzt bei der EURO 2008 in Österreich. 2012 in der Ukraine/Polen mussten sich die Russen hingegen schon nach der Gruppenphase verabschieden. Bei der EM-Premiere 1960 holte man den Titel, weitere drei Mal stand die Auswahl im Finale.