Rassismus-Debatte in England

Hamilton tobte nach verlorenem EM-Finale

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Aus dem Fußball-Märchen mit dem Einzug ins EM-Finale gibt es in England ein böses Erwachen.

Nach dem verlorenen Elfmeterschießen gegen Italien überschattet eine Rassismus-Debatte den sportlichen Erfolg. Die Politik sieht sich in Konfrontation mit den populären Fußballstars. Marcus Rashford veröffentlichte eine emotionale Botschaft, Teamkollege Tyrone Mings kritisierte Innenministerin Priti Patel. Auch Englands Formel-1-Star Lewis Hamilton tobt mit einer emotionalen Instagram-Nachricht. Premierminister Boris Johnson nimmt nun die sozialen Netzwerke in die Pflicht.

Nachdem sie im Elfmeterschießen des EM-Finales gegen Italien (2:3) nicht getroffen hatten, waren Rashford, Jadon Sancho und Bukayo Saka im Internet rassistisch beleidigt worden. Darauf reagierten weite Teile der Gesellschaft, der Politik und des Sports mit Empörung und Entsetzen.

Am Dienstag schaltete sich Johnson in die Debatte ein. Er werde Social-Media-Unternehmen auffordern, mehr gegen Online-Missbrauch zu unternehmen, und verurteilte rassistische Äußerungen gegen Englands Spieler. "Er sagte, der Missbrauch sei absolut schändlich und sei aus dem Dunklen des Internets entstanden. Wir erwarten, dass die sozialen Medien alles unternehmen, um diese Leute zu identifizieren", erklärte ein Sprecher nach einem Treffen von Johnson mit den Spitzenministern seines Kabinetts.

Kritik gegen Innenministerin Patel

Mings hatte davor Innenministerin Patel für ihr Verhalten in der Debatte um Rassismus und knieende Profis kritisiert. Patel hatte sich zwar am Montag "angeekelt" über rassistische Beleidigungen gegen Englands Spieler gezeigt. Zuvor hatte die konservative Politikerin aber Verständnis für Menschen aufgebracht, die ihren Unmut über das Knien der Profis gegen Rassismus äußerten. Die Politikerin mit indischen Wurzeln hat ihre politische Karriere auf dem Ruf aufgebaut, eine harte Linie gegen illegale Einwanderung zu fahren.

"Man kann nicht zu Beginn des Turniers das Feuer schüren, in dem man unsere Anti-Rassismus-Botschaft als 'Symbolpolitik' bezeichnet und dann vorgeben, angeekelt zu sein, wenn genau das passiert, gegen das wir uns einsetzen", schrieb der 28 Jahre alte Mings am Montagabend auf Twitter.

Mit der Geste wollten die Fußballer ein Zeichen gegen Rassismus setzen. Sie stammt aus der "Black Lives Matter"-Bewegung. Die haben Johnson und sein Kabinett aber als ideologischen Feind ausgemacht. Das Stichwort heißt "war on woke" - es geht darum, die Empörung in Teilen der Bevölkerung über die angeblich übertriebene Rücksichtnahme auf ethnische und andere Minderheiten politisch auszuschlachten. Nach Ansicht von Politik-Experten will die Regierung damit ihre wackelige Wählerkoalition aus Brexit-Befürwortern vom rechten und linken politischen Spektrum zusammenhalten, wenn der EU-Austritt an Zugkraft verliert.

Rashfords schrieb offenen Brief an Regierung

Womöglich ahnt die Regierung aber, dass sie in der Auseinandersetzung mit den populären Fußballstars den Kürzeren ziehen könnte. Rashford hatte die Johnson-Regierung bereits im vergangenen Jahr mit seiner Kampagne für kostenlose Schulmahlzeiten für finanziell schwache Familien während des Schul-Lockdowns und der Ferien vor sich hergetrieben. Der ManUnited-Star schrieb einen offenen Brief an die Regierung und veröffentlichte das Schreibe auf Facebook.

Am Montagabend meldete er sich diesmal in den sozialen Netzwerken emotional zu Wort. "Ich kann mir Kritik an meiner Leistung den ganzen Tag lang anhören, mein Elfmeter war nicht gut genug, er hätte reingehen sollen. Aber ich werde mich niemals dafür entschuldigen, wer ich bin und wo ich herkomme", schrieb der 23-Jährige.

Ein Wandgemälde in Withington in der Nähe von Manchester, das Rashford zeigt, wurde zunächst mit Schimpfworten beschmiert. Dies wurde anschließend von vielen Fans mit unterstützenden Botschaften und Herzen überdeckt.

Überwältigende Botschaften

"Die Botschaften, die ich heute erhalten habe, waren geradezu überwältigend, die Antwort in Withington hat mich den Tränen nahe gebracht", schrieb Rashford weiter. Wegen seines Fehlschusses fühle er sich, als habe er seine Teamkollegen im Stich gelassen und frage sich seitdem immer wieder, warum er nicht getroffen habe.

Sein Statement schloss der für sein soziales Engagement bekannte Rahsford mit den Worten: "Ich bin Marcus Rashford, 23 Jahre alt, schwarzer Mann aus Withington und Wythenshawe, South Manchester. Wenn ich nichts anderes habe, habe ich dies. Für alle freundlichen Nachrichten, danke. Ich werde stärker zurückkommen. Wir werden stärker zurückkommen. MR10." Der Twitter-Account der englischen Nationalmannschaft antwortete ihm: "Inspiriere weiter. Mache weiter einen Unterschied. Wir sind extrem stolz auf dich."

Hamilton tobte auf Instagram

Auch Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton meldete sich in der Rassismus-Debatte auf Instagram zu Wort: „So vieles ging mir durch den Kopf, als ich die letzten Momente des Spiels verfolgte. Einerseits war ich so stolz darauf, wie weit wir gekommen sind ... im Finale zu stehen und das mit einer so vielfältigen Mannschaft, ist eine riesige Leistung, auf die wir alle stolz sein sollten, aber als die Spieler zum Elfmeterschießen antraten, war ich besorgt. Der Druck, etwas zu leisten, ist für jeden Sportler spürbar, aber wenn man eine Minderheit ist und sein Land vertritt, ist das eine ganz andere Erfahrung. Ein Erfolg würde sich wie ein doppelter Sieg anfühlen, aber ein Fehlschuss fühlt sich wie ein doppeltes Versagen an, wenn dann noch rassistische Beschimpfungen hinzukommen“, schrieb Hamilton nach dem verlorenen EM-Finale.

"Ekelhaftes Verhalten“

Und der britische Mercedes-Pilot wird noch einmal deutlicher: „Ich habe mir diesen Sieg so sehr gewünscht, wie Sie alle, aber für mich ging es um viel mehr als den Gewinn der Euro, es ging um ein viel größeres Bild. Das ekelhafte Verhalten einiger weniger zeigt jedoch, wie viel Arbeit noch getan werden muss. Ich hoffe, dass damit ein Gespräch über Akzeptanz eröffnet wird. Wir müssen auf eine Gesellschaft hinarbeiten, die von schwarzen Spielern nicht verlangt, dass sie ihren Wert oder ihren Platz in der Gesellschaft nur durch Siege beweisen müssen. Letztendlich sollte jeder im englischen Team so stolz auf seine Leistung sein und darauf, wie er uns repräsentiert hat.“

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