Wirbel im WM-Land

Ex-Katar-Profi: "Wurde wie Sklave behandelt"

08.10.2013

Abdeslam Ouaddou  wurde aus Mannschaft gestrichen und erhielt keinen Lohn.

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Abdeslam Ouaddou hat 57 Mal für das marokkanische Fußball-Nationalteam gespielt. Das Abenteuer Katar während seiner Club-Laufbahn hat er in äußerst schlechter Erinnerung, machte doch das im Austragungsort der WM 2022 angewendete Kafala-System auch vor Profi-Kickern nicht halt.

"Es herrscht ein barbarisches System, ich wurde wie ein Sklave behandelt. Die Katarer glauben, sie können sich alles erlauben und mit Geld alles kaufen – Hochhäuser, Unternehmen, schöne Autos – und Menschen", erinnerte sich der auch bei Olympiakos Piräus tätig gewesene Ouaddou nur ungern.

Für den 34-Jährigen begann das Katar-Engagement vielversprechend, in der ersten Saison nach seinem Wechsel zur "Regierungsmannschaft" Lekhwiya Sports Club, bei der er im Sommer 2010 einen Dreijahresvertrag unterzeichnete, konnte gleich der Meistertitel eingefahren werden. Das sollte allerdings das letzte Highlight des Mannschaftskapitäns bleiben.

Nach der Rückkehr aus seinem Urlaub wurde ihm mitgeteilt, dass er zum Katar Sports Club wechseln muss. "Ich wollte eigentlich meinen Vertrag erfüllen. Man hat mir aber gesagt, es ist eine Entscheidung des Prinzen, und darüber wird nicht diskutiert", erzählte Ouaddou am Montagabend in Wien.

Bei seinem neuen Verein lief es nicht rund, gab es eine sehr schwache Saison. Die Club-Verantwortlichen hielten sich nicht an Vereinbarungen, so wurden etwa die Kosten für das angemietete Haus des Abwehrspielers nicht übernommen, weshalb er samt seiner Familie in eine hoch oben gelegene Wohnung in einem Hochhaus ziehen musste.

Als der gebürtige Marokkaner neuerlich vom Urlaub zurück erschien, wurde ihm mitgeteilt, dass der Verein den laufenden Vertrag beenden möchte. "Ich habe gesagt, dass ich keinen Grund sehe, den Vertrag zu beenden", erzählte der 1,91-Meter-Mann.

Ouaddou stand aber auf verlorenem Posten. "Ich bin nicht mehr in der Teamliste gewesen, wurde von der Homepage gelöscht und habe keinen Lohn mehr bekommen. Als die Mannschaft in der Vorbereitung nach Spanien geflogen ist, habe ich bei 50 Grad in Katar trainiert", erzählte der marokkanisch-französische Doppel-Staatsbürger.

Nach sechs Monaten ohne Gehalt hatte die Geduld des Ex-Fulham-Spielers ein Ende, er musste wieder Geld verdienen, um seine Familie zu ernähren und drohte eine Menschenrechtsorganisation zu kontaktieren. "Nach einem Monat Wartezeit habe ich dann ein Ausreisevisum bekommen, mein Name hat mir da geholfen. Dabei wurde mir aber gesagt, dass sie sicherstellen werden, dass sich mein Fall sechs bis sieben Jahre hinziehen wird", sagte Ouaddou, der sich Ende November 2012 von seinem Club trennte.

Seit er die FIFA das erste Mal über seine Probleme informierte, ist mittlerweile ein Jahr vergangen. "Ich hoffe, dass die FIFA meinen Fall rasch behandeln wird. Die FIFA muss den Verein bestrafen, damit der ganze Wahnsinn ein Ende nimmt", sagte der seit Anfang des Jahres vereinslose Ouaddou.

Seine Geschichte ist kein Einzelfall, ein in der zweiten Liga von Katar tätiger Freund von ihm (Zahir Belounis) sitzt seit zwei Jahren dort fest. "Man kann nur gehen, wenn man unterschreibt, dass man auf sein ganzes Gehalt verzichtet", erklärte Ouaddou. Die weltweite Vereinigung der Profi-Fußballer (FIFPro) schätzt zudem, dass es weitere Fälle von betroffenen Spielern gibt, die sich auch vielleicht aus Angst vor ihren Arbeitgebern noch nicht gemeldet haben.

Angesichts dieser Fallbeispiele und der Missstände rund um die zahlreichen Gastarbeiter auf den WM-Baustellen fragt sich auch Gernot Zirngast, warum die WM in Katar über die Bühne geht. "Dass die WM wieder einmal in Asien stattfindet, ist verständlich, aber warum in Katar? Das hat sich die FIFA nicht gut überlegt", sagte der Vorsitzende der Vereinigung der Fußballer (VdF).

Eine Vorfreude auf das Turnier gebe es bei ihm nicht. "Momentan ist das Gegenteil der Fall. Und es wird für keinen Fußballer eine schöne Sache sein, dort zu spielen, wo bis zum Turnierstart vielleicht 4.000 Menschen bei Arbeiten gestorben sind", sagte Zirngast im Hinblick auf die bedenklichen Zahlen der Organisatoren der Initiative zur Neuvergabe der WM 2022.

 

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