Blamable Franzosen

Henry zum Rapport bei Präsident Sarkozy

23.06.2010

Frankreichs WM-Desaster wird zur Staatskrise: Henry Donnerstag bei Sarkozy.

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Das blamable vorzeitige Ausscheiden des Nationalteams am Dienstag bei der Fußball-WM in Südafrika hat die "Grande Nation" in Krisenstimmung versetzt. Französische Fans und Medien zeigten sich erzürnt über das missratene Auftreten auf und außerhalb des Platzes. Stammkapitän Thierry Henry wird sogar auf eigenes Verlangen dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy Rede und Antwort stehen.

Direkt nach Paris
Der Rekordtorjäger verließ die Delegation des Verbandes nach der 1:2-Niederlage gegen Südafrika vorzeitig. Während die Franzosen zunächst zum Quartier nach Knysna zurückgekehrt seien, sei Henry allein mit einer Privatmaschine nach Johannesburg geflogen, von wo es am frühen Mittwochnachmittag nach Paris weiterging, berichteten verschiedene Medien. Dort soll der Stürmer dem Staatschef am Donnerstag in einem einstündigen Gespräch die Gründe für das Scheitern erläutern.

Frankreichs Medien zynisch
Erklärungsbedarf haben die "Bleus" auch gegenüber der französischen Öffentlichkeit. "Der Alptraum ist endlich vorbei", "Danke und auf Wiedersehen" oder "Und noch einmal Bravo! Die Tragikomödie hat endlich ein Ende", schrieben die Blätter in der Heimat am Mittwoch. "Vollkommen unwürdig, beschämend und empörend" sowie "unausstehlich" lauteten andere Kommentare am Folgetag der Niederlage gegen Südafrika.

"Die französische Mannschaft hat bei der WM in Südafrika die schwärzeste Stunde ihrer Geschichte erlebt. Ein unerträglicher Leidensweg für die Fans, denen nichts erspart geblieben ist", schrieb die Tageszeitung "Le Figaro". Eine apokalyptische Weltmeisterschaft, die in Hoffnungslosigkeit und als Alptraum zu Ende gegangen sei, konstatierte das Hauptstadt-Blatt "Le Parisien". "Danke Burschen, Ihr habt den Franzosen den bevorstehenden Sommer vermiest", hieß es weiter. "Liberation" meinte: "Die Weltmeisterschaft droht auf lange Sicht das Bild des französischen Fußballs zu beschädigen. (...) Ein großes Desaster."

Skandalserie
Vorausgegangen war der Blamage gegen Südafrika eine beispiellose Serie von Skandalen. Nicolas Anelka musste vorzeitig nach Hause fahren, weil er den scheidenden Teamchef Raymond Domenech übel beleidigt haben soll. Das Team trat daraufhin aus Solidarität in den Streik und verweigerte das Training. Ein handfester Streit zwischen dem französischen Team-Kapitän Patrice Evra und Konditionstrainer Robert Duverne sowie der Rücktritt von Delegationschef Jean-Louis Valentin machten das Chaos komplett.

Domenech verweigert Handschlag
Zum Abschluss sorgte auch Domenech selbst noch einmal für einen Eklat. Der 58-Jährige verweigerte "Bafana Bafana"-Teamchef Carlos Alberto Parreira den Handschlag, ohne danach bei der Pressekonferenz die Gründe dafür zu nennen. Parreira hatte eine für ihn unverständliche Erklärung parat. "Domenech hat gesagt, er will nicht mit mir reden, weil ich mich schlecht über das französische Nationalteam geäußert habe. Aber ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas Schlechtes über Frankreich gesagt zu haben", wunderte sich der Brasilianer.

Keine Erklärungen
Von Domenech waren auch nach seiner letzten Partie als Teamchef keine Schuldeingeständnisse zu hören. "Jetzt ist die Zeit für Enttäuschung, nicht für Erklärungen. Der französische Fußball hat sehr gelitten", meinte der Coach, dessen Abschied schon vor Turnierbeginn festgestanden war. Die Bekanntgabe von Laurent Blanc, der 1998 als Teamspieler Weltmeister geworden war, zum Domenech-Nachfolger schon vor WM-Beginn hatte nicht zur Autorität des Trainers beigetragen.

Evra kündigt Abrechnung an
Für die Spieler konnte der Abgang des ungeliebten Teamchefs offenbar nicht früh genug kommen. Eric Abidal sah sich sogar außerstande, gegen Südafrika einzulaufen, und der auf die Ersatzbank degradierte Evra kündigte eine Generalabrechnung an. "Ich verspreche, dass ich die Wahrheit über jede Minute erzählen werde, die ich erlebt habe. Die Franzosen müssen die Wahrheit erfahren, denn das Nationalteam gehört ihnen allein und sonst niemandem", betonte der Linksverteidiger von Manchester United.

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