Red Bull Salzburg hat es schon wieder getan - zum zehnten Mal in Folge.
Von der Leichtigkeit der vergangenen Jahre war der Jubilar, der aktuell eine der längsten Serien im europäischen Clubfußball anführt, diesmal allerdings weit entfernt. Angesichts des starken Herausforderers Sturm Graz zeigte der scheinbar unverwundbare Krösus der Fußball-Bundesliga Schwächen, nur um in der entscheidenden Meisterschaftsphase doch wieder den Status quo herzustellen.
Bereits am 30. Juli 2022 deutete sich an, dass es eine mühevolle Saison für Salzburg werden könnte. Sturm schickte die erfolgsverwöhnten Gäste in der 2. Runde mit einer 1:2-Niederlage im Gepäck nach Hause und holte später auch in Wals-Siezenheim ein Remis. Der Triumph im Cup-Viertelfinale fachte im Februar die Hoffnungen auf eine Wachablöse weiter an. Spätestens als Sturm dank Punkteteilung mit nur drei Zählern Rückstand in die zweite Saisonphase ging, schien das Undenkbare möglich. Salzburg wirkte angeschlagen, beim 3:3 gegen die Austria Anfang April etwa auch etwas überheblich. Doch die Truppe von Trainer Matthias Jaissle besann sich rechtzeitig ihres klaren Ziels, behielt im Finish kühlen Kopf und schnürte den Sack zwei Runden vor Schluss zu.
Angst vor Salzburg? Fehlanzeige
Die Jäger dürften jedenfalls Blut geleckt, neutrale Beobachter neue Hoffnung geschöpft haben, dass die bleierne Dominanz Salzburgs kein Naturgesetz ist; allen wirtschaftlichen Parametern zum Trotz, die vor Anpfiff des ersten Saisonspiels auch 2023/24 wieder deutlich für den Titelverteidiger sprechen. Klar scheint: Angst und Schrecken verbreitet Salzburg in der Liga nicht mehr. Das große Alleinstellungsmerkmal, der intensive Pressingkick samt Torspektakel ist nur noch in seiner Light-Variante vorhanden. Jaissle kann mit dem "Hurra-Fußball" seines Vorgängers Jesse Marsch jedenfalls wenig anfangen.
Durchaus verständlich wurde in den vergangenen Monaten, warum Sportdirektor Christoph Freund nie müde wird, die Selbstverständlichkeit eines Salzburger Meistertitels infrage zu stellen. Der eingeschlagene Weg, mit jungen, für heimische Verhältnisse teuren, Talenten national und auch auf europäischer Bühne zu reüssieren, hat dem Verein in den vergangenen Jahren via Preisgeldern und Ablösesummen beachtliche Beträge in die Kassa gespült. Er birgt aber auch gewisse Risiken, auf die Freund immer wieder hinweist. Risiken, die in der laufenden Saison sichtbar waren.
Junges Durchschnittsalter bei den Bullen
Salzburg schickte gesamt gesehen noch nie eine jüngere Equipe ins Rennen, mehrmals lag das Durchschnittsalter der Startelf unter 22 Jahren. Im Champions-League-Spiel gegen Milan ließ man die mit 21,6 Jahren zweitjüngste jemals im Bewerb aufgebotene Startelf auflaufen. Dazu gesellten sich immer wieder verletzungsbedingte Ausfälle von Stammkräften, zeitweise fehlte im Frühjahr eine ganze Elf. Allen voran der im Sommer geholte Fernando, der nach guten Auftritten zu Saisonbeginn ab Ende September nur noch dreimal zum Einsatz kam. Sein Sturmpartner Noah Okafor wiederum traf nach gutem Start seit Anfang November kein einziges Mal mehr und fehlte im Finish wie auch Luka Sucic verletzt.
An der Personalpolitik wollen die einmal mehr fix für die CL-Gruppenphase qualifizierten Salzburger freilich nicht rütteln, warum sollten sie auch. Ob sich das Transferkarussell so stark dreht, wie in den vergangenen Jahren, bleibt abzuwarten. Mit Vizekapitän und ÖFB-Teamkicker Nicolas Seiwald und Stürmer Benjamin Sesko wechseln zwei Stützen fix zum Leipziger Schwesternclub, darüber hinaus steht vieles noch in den Sternen.
Wechsel-Gerüchte um Trainer Jaissle
Von großem Interesse ist nicht zuletzt die Personalie Jaissle. Der 35-jährige wurde zwar schon mit einem Wechsel in die deutsche Bundesliga, allen voran zu Frankfurt in Verbindung gebracht, konkret klang das alles aber noch nicht. Hält der Deutsche die Stellung, wäre es ein Novum: Noch kein Trainer blieb dem "Bullen"-Stall länger als zwei Saisonen erhalten.
Finanziell muss man sich auch nach dem Tod von Mäzen Dietrich Mateschitz im Oktober 2022 jedenfalls keine Sorgen machen. Dafür garantieren die üppigen Erträge der vergangenen Jahre ebenso wie der langfristige Vertrag mit dem Konzern, auf den vonseiten des Clubs verwiesen wird.