Scheidender Salzburg-Trainer sieht erfolgreiche Arbeit und prophezeit Ulmer, Leitgeb und Janko internationale Karriere.
Welche Bedeutung hat für Sie dieser zweite Meistertitel nach dem mit
dem FC Porto?
Adriaanse: "International ist das sehr wichtig, weil
man dort nur auf die Titel schaut. Aber für mich ist nicht unwesentlich
wichtiger, dass ich das Maximum aus meiner Mannschaft heraushole und man
meine Handschrift sieht. Deshalb war für mich der zweite Platz mit Willem II
Tilburg und die darauffolgende Qualifikation für die Champions-League
wie ein Meistertitel. In Holland ist man stolz auf mich, dass ich in vier
Jahren Ausland zwei Meistertitel und einen Pokal geholt habe."
Was entgegnen Sie jenen, für die der Meistertitel mit Red Bull ein
Muss ist?
Adriaanse: "Es ist nicht einfach, weil Rapid auch eine
sehr gute Mannschaft hat, einen sehr guten Trainer, und vor allem sind sie
zu Hause immer ausverkauft mit sehr fanatischen Fans. Und sie haben auch die
Presse auf ihrer Seite. Fußball ist mehr als Geld. Sonst hätte in Deutschland
Bayern München vor Hoffenheim Meister werden müssen. Genau wie
Ajax, Real Madrid oder der AC Milan. Ich frage, wieso ist Red Bull in den
letzten vier Jahren nur zweimal Meister geworden?"
Warum wurde letztlich nur eines der von Ihnen vorgegebenen Saisonzielen
erreicht?
Adriaanse: "Ich habe gesagt primär werden wir offensiv
spielen. Das haben wir überall gemacht. Auch auswärts. Wir haben 86 Tore
(Anm.: 2,4 pro Spiel) geschossen und mit Janko einen der drei besten Torschützen
in Europa. Seine 39 Tore sind unglaublich und waren nur in einer offensiven
Mannschaft möglich. In Europa wollte ich möglichst weit kommen. Wir
haben sehr gut angefangen, die Auslosung meinte es dann nicht gut mit uns.
Der FC Sevilla ist die Nummer drei in Spanien, das den Europameister und
Champions-League-Sieger stellt. Für unsere Möglichkeiten haben wir dort sehr
gut gespielt. Wenn jemand nicht versteht, dass man gegen so eine Mannschaft
ausscheiden kann, der versteht nichts vom Fußball. Im Cup habe ich eine Mannschaft
aufgestellt, von der ich voll überzeugt war. Ich wollte diesen Spielern
mein Vertrauen geben und die anderen schonen. Das war kein Poker oder Risiko
nehmen. Und wer garantiert mir, dass wir mit der ersten Mannschaft gewonnen
hätten?"
Ein weiteres Ziel von Ihnen war, das Stadion zu füllen. Woran liegt
es, dass das nicht der Fall war?
Adriaanse: "Wenn diese Saison mehr
Zuschauer ins Stadion gekommen sind wie in der vorherigen, dann bin ich
zufrieden (Anm.: 15.300 pro Spiel). Warum es nicht voll war, das kann viele
Ursachen haben. Erstens ist Skifahren in Österreich viel populärer als
Fußball. Ich denke auch, dass vielfach Spiele zum falschen Zeitpunkt
angesetzt werden. Die Presse ist meistens sehr, sehr negativ gewesen. Ein weiteres
Argument ist, dass vielfach Spiele von Red Bull live übertragen wurden. Aber
meine Erwartung war, dass ich nicht nur ein Jahr bei Red Bull bleiben
sollte. Meine Idee waren zwei oder drei Jahre. Red Bull hat unglaublich
viele Möglichkeiten. Deshalb habe ich das gesagt und auch geglaubt und
ich glaube es noch immer, dass Fußball in Österreich immer mehr an Wert
gewinnt."
Wie groß ist die Enttäuschung, den Verein verlassen zu müssen?
Adriaanse:
"Sehr groß, weil ich vor drei Jahren in Mauterndorf ein Haus
gekauft habe. Ich liebe Österreich, ich liebe Mauterndorf, und ich
liebe es hier zu wohnen. Daher konnte ich wohnen und arbeiten gut kombinieren.
Red Bull ist eine sehr große, positive Firma, die viel Geld in den
Fußball steckt. Daher gibt es ungeahnte Möglichkeiten. So ein
Trainingszentrum gibt es fast nirgendwo. Jetzt hätte ich alles über den
österreichischen Fußball gewusst. Vor allem kenne ich alle Möglichkeiten
und Unmöglichkeiten von meiner Truppe. Da hätte ich durchselektieren
und die Mannschaft noch besser machen können."
Ab wann war Ihnen klar, dass Ihr Vertrag nicht mehr verlängert wird?
Adriaanse:
"Als im März Hochhauser mit Mateschitz gesprochen hat und dieser
noch warten wollte, da hatte ich meine Zweifel. Ich wollte endlich eine
Entscheidung, um auch meine Zukunft zu planen."
Für Sportdirektor Hochhauser gab es Dinge, die nicht so gepasst haben.
Welche Dinge meinte er?
Adriaanse: "Nicht ich muss das sagen,
sondern Mateschitz und Hochhauser, die diese Entscheidung getroffen haben.
Und das ist nicht eine komplizierte Sache oder eine Privatangelegenheit. Das
ist etwas, wofür ich meine Argumente habe und sehr gute sogar. Sonst hat Hochhauser
gemeint, gäbe es sportlich keine Beanstandungen.
Ihr gestörtes Verhältnis zu einem Teil der Presse war für die Außendarstellung
von Red Bull nicht unbedingt förderlich.
Adriaanse: "Ich habe
die Presse nie boykottiert. Ein Teil davon hat mich boykottiert. Ich war ein
halbes Jahr bei allen Pressekonferenzen vor dem Spiel. Das ist immer
dasselbe: ich kann nicht die Aufstellung und die Taktik bekanntgeben, musste
immer nur sagen wir gewinnen. Ich habe immer alle Informationen gegeben,
vielleicht viel mehr, als möglich war. Als ich merkte, dass viele von diesen
Informationen gegen mich verwendet wurden, habe ich mit Hochhauser und Linke
eine Verabredung gemacht, dass ich im Frühjahr diese Vorschau nicht mehr mache.
Unmittelbar vor und nach dem Spiel bin ich immer Rede und Antwort gestanden.
Ein Teil der Presse hat nur negativ über mich geschrieben, was ich
gehört habe. Ich habe Gott sei Dank seit einigen Monaten keine
Zeitungen mehr gelesen."
Gibt es etwas, was Sie im Nachhinein anders machen würden?
Adriaanse:
"Nein. Ich habe gearbeitet, wie ich immer arbeite und hatte damit
überall Erfolg. Ich denke, dass wir alle zusammen sehr gut gearbeitet
haben, 100-prozentig. Red Bull wollte einen Trainer, der einen technisch
guten, offensiven Fußball spielen lässt und lieber mit 5:3 gewinnt
als mit 2:0. Deswegen bin ich gekommen und habe alle Vorgaben erfüllt. Wir
sind trotz vieler verletzter Spieler, darunter für mein System so wichtige
wie Leitgeb und Jezek, souverän Meister geworden."
Welchen Spielern trauen Sie eine internationale Karriere zu?
Adriaanse:
"Andreas Ulmer, weil er einer ist, der weiß, was er will. Christoph
Leitgeb kann im Ausland auf Topniveau spielen. Allerdings muss er
belastbarer sein und verletzungsfrei bleiben. Vielleicht ist der ständige
Wechsel von Natur- auf Kunstrasen und umgekehrt ein möglicher Grund für
seine Verletzungen. Marc Janko, wenn er und sein Manager die richtige
Entscheidung treffen."
Was muss sich bei Red Bull ändern, um auch international erfolgreich
zu sein?
Adriaanse: "Da müssen die Spieler verbessert werden durch
einen Trainer, und nicht jedes Jahr durch einen anderen. Und sie müssen dann
auch international bessere Spieler holen. Aber die Frage ist, wollen diese
Spieler überhaupt nach Österreich kommen und auf Kunstrasen
spielen? Nicht alle wollen das. Und vor allem will Red Bull diese Spieler
bezahlen?"
Wie beurteilen Sie ihren Nachfolger Huub Stevens?
Adriaanse: "Er
ist ein ganz anderer Trainer, wie ich es bin. Als Person anders und auch
seine Fußball-Philosophie hat mit der meinen nichts gemein."
Warum haben Sie Ajax und AZ Alkmaar abgesagt?
Adriaanse: "Weil
ich vier Jahre im Ausland gearbeitet habe. In vier verschiedenen Ländern.
Immer wieder ein neues Haus, eine neue Sprache, eine neue Kultur. Auch
sportlich, neue Spieler, neue Liga und neue Gegner. Das war nicht einfach
und deshalb will ich jetzt ein Jahr Ruhe nehmen. Deshalb habe ich vielen
Vereinen abgesagt, nicht nur Ajax und AZ."