Analyse

Systemwechsel: Überraschte Salzburg Rapid?

27.11.2017

'Bullen' jubeln nach mitreißendem 3:2 bei Rapid über perfekte Woche.

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Viel besser hätten die vergangenen acht Tage für Red Bull Salzburg nicht laufen können. Zunächst stürzte der Fußball-Doublegewinner Sturm Graz mit einem 5:0 von der Bundesliga-Tabellenspitze, dann fixierten die "Bullen" mit dem 3:0 gegen Vitoria Guimaraes als Gruppensieger vorzeitig den Einzug ins Europa-League-Sechzehntelfinale und schließlich gab es am Sonntag gegen Rapid einen 3:2-Auswärtssieg.

Nach dem prestigeträchtigen Erfolg in dem packenden Match vor 25.300 Zuschauern - mehr als in allen anderen Wochenend-Partien der beiden höchsten Ligen zusammen - sind die Mozartstädter schon seit 17 Pflichtspielen ungeschlagen. "Die Jungs haben bisher Großartiges geleistet", resümierte Trainer Marco Rose.

Der Deutsche hatte in Absprache mit seinen Kickern auf eine Variante mit drei Innenverteidigern gesetzt, um seiner Mannschaft nach den Strapazen der vergangenen Monate eine weniger aufreibende Spielweise zu ermöglichen. Dabei wurde das erstmals unter dem Deutschen praktizierte System unmittelbar vor dem Rapid-Match auf dem Platz gar nicht geübt, sondern nur in der Theorie besprochen.

Mutige Systemumstellung

Dennoch funktionierte die Umstellung beim weiterhin zwei Punkte vor Sturm Graz liegenden Tabellenführer ohne gröbere Probleme, was Rose nicht weiter verwunderte. "Die Jungs sind Profis und haben viel Spielverständnis, sonst wären sie nicht dort, wo sie sind."

Die Schwierigkeiten im Finish seien auf die jüngsten Strapazen zurückzuführen gewesen, meinte Rose. "Die letzte Woche war brutal, das hat man den Jungs in den letzten 20 Minuten angesehen. Da sind wir ordentlich geschwommen." Das Nervenflattern seiner Mannschaft durfte Munas Dabbur nur von der Ersatzbank aus mitverfolgen. Der Führende der Liga-Torschützenliste musste wegen des neuen Systems bis zum Schlusspfiff auf der Bank schmoren.

"Er war schwer enttäuscht, das ist auch völlig normal. Es war aber keine Entscheidung gegen ihn, sondern für eine Idee, die wir hatten", sagte Rose und gab zu, dass es ihn "ein paar schlaflose Stunden" gekostet hatte, bis er sich zu Dabburs Degradierung entschloss. "Ich kann mich nur entschuldigen. Er hat großartig reagiert und sich in den Dienst der Mannschaft gestellt."

Seinen Stammplatz behalten hat Valon Berisha, der nach Schlusspfiff von der Stimmung im Allianz Stadion schwärmte und von einem Duell der "beiden besten Mannschaften der Liga" sprach. Den Treffer seines Teams zum 1:1 in der Nachspielzeit der ersten Hälfte bezeichnete der Kosovare als "Knackpunkt".

Rapid mit Minutenschlaf

Tatsächlich schien den Hütteldorfern dieses Gegentor noch zu Beginn der zweiten Hälfte in den Knochen zu stecken, wie der Doppelschlag durch Andreas Ulmer (46.) und Reinhold Yabo (50.) bewies. "Wir haben die ersten sechs, sieben Minuten nach dem Seitenwechsel total verschlafen, da waren wir total orientierungslos", erklärte Rapid-Trainer Goran Djuricin.

Ansonsten gab es für den Wiener aber praktisch nichts an der Leistung seiner Truppe auszusetzen. "Die restliche Spielzeit waren wir ganz stark. Es war wichtig, nicht nur dagegengehalten zu haben, sondern agiert zu haben in den meisten Phasen. Die Entwicklung geht gut weiter." Dennoch blieb ein schaler Beigeschmack. "Wir sind für den großen Aufwand nicht belohnt, aber für jede Kleinigkeit bestraft worden."

Möglicherweise wäre die Partie anders gelaufen, hätte Paulo Miranda in der Anfangsphase bei seinem Foul am als Mittelstürmer aufgebotenen Philipp Schobesberger von Referee Markus Hameter nicht Gelb, sondern Rot wegen Torraubs gesehen. "Doch der Schiedsrichter ist immer ein armes Schwein. Eine Seite sagt immer schlecht, die andere gut, deswegen schaue ich, dass ich neutral bleibe", betonte der Rapid-Betreuer. Die Leistung des Unparteiischen sei "okay" gewesen, obwohl er laut Djuricin auf Rot für Miranda hätte entscheiden können.

Hameter stand auch im Mittelpunkt, als er gemeinsam mit seinem Assistenten beim vermeintlichen 3:3 für Rapid das Handspiel von Giorgi Kvilitaia nicht erkannte. Erst auf Intervention des vierten Offiziellen Dieter Muckenhammer wurde der ursprünglich gegebene Treffer noch aberkannt.

Muckenhammer hatte dabei jedoch nicht auf den - in Österreich noch nicht eingeführten - Videobeweis zurückgegriffen, sondern die Situation mit freiem Auge erkannt. Als das Tor zurückgenommen wurde, hatte die TV-Produktion nämlich noch keine Zeitlupe der Szene gesendet, weshalb der vierte Offizielle die Fernsehbilder nicht gesehen haben konnte.

Rapid-Kapitän Stefan Schwab diskutierte nach dem Schlusspfiff länger mit Muckenhammer über diese Situation und ärgerte sich zudem über die seiner Meinung nach zu lange Nachspielzeit in der ersten Hälfte, in der das 1:1 fiel. Allerdings zeigte sich der Mittelfeldspieler auch selbstkritisch: "Wir sind selbst Schuld, weil wir da ausgekontert wurden."

So stand am Schluss das Fazit, dass Rapid bereits seit zehn Partien gegen Salzburg auf einen Sieg wartet, nach zwölf Pflichtspielen wieder verlor und als Dritter schon acht Punkte hinter dem Spitzenreiter aus der Mozartstadt liegt. Vom Ziel, auf Augenhöhe mit dem Liga-Krösus zu kommen, ist man weiterhin ein schönes Stück entfernt. "Aber wenn ich Dabbur oder Gulbrandsen auf die Bank setzen kann, die in jeder österreichischen Mannschaft Top-Spieler wären, brauche ich nichts mehr dazu zu sagen", meinte Djuricin über den Unterschied zwischen dem finanzstärksten und publikumswirksamsten Verein des Landes.

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