Rapid-Geschäftsführer im großen Interview

'Die Zeit der Goldsteaks ist vorbei'

31.05.2020

Rapid-Geschäftsführer Christoph Peschek im großen ÖSTERREICH-Interview über die LASK-Strafe, die Wirtschafts-Not im Profifußball und die Notwendigkeit der Zuschauer für das Überleben des SK Rapid.

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ÖSTERREICH: Christoph, Rapid hat sich zum LASK-Urteil noch nicht öffentlich geäußert. Wieso?

Christoph Peschek: Wir werden uns nicht anmaßen, Senat-Urteile zu kommentieren und zu interpretieren. Aber was ich sehr irritierend finde, ist, wieso es nach der vorsätzlichen Erschwindelung eines immensen sportlichen Vorteils weiter Uneinsichtigkeit gibt und durch die rechtlichen Schritte, die sie nun setzen, in Kauf nehmen, die Liga ein weiteres Mal nachhaltig zu schädigen.

ÖSTERREICH: Das bedeutet, der LASK sollte das Urteil annehmen, damit in dieser Causa endlich Ruhe einkehrt?

Peschek: Im Sinne des österreichischen Fußballs wäre es gut, wenn es rasch Klarheit gibt, damit wir mit dem Meisterschaftsende alle Bescheid wissen, wie sich das auf das Titelrennen und die internationalen Startplätze auswirkt. Denn das Schlimmste wäre, wenn man nach Meisterschaftsende Unklarheit hinsichtlich der weiteren Planung hätte.

ÖSTERREICH: Sie und weitere Vertreter von Rapid waren zuletzt beim Sportminister und Vizekanzler Werner Kogler - wie ist da das Verhalten des LASK angekommen?

Peschek: Für uns stand im Mittelpunkt, die Notwendigkeiten für den österreichischen Fußballs zu erläutern und gemeinsam Lösungen zu finden, damit der österreichische Fußball diese schwere Krise überstehen kann. Da war der LASK nur eine Randerscheinung. Wir haben uns auch hier für das Paschinger Fehlverhalten stellvertretend für den österreichischen Fußball entschuldigt. 

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Rapid ohne Fans: "Gesamtschaden könnte 20 Millionen Euro betragen"

ÖSTERREICH: Wie steht es derzeit wirtschaftlich um den österreichischen Fußball?

Peschek: Wir haben es mit zahlreichen Maßnahmen, da war auch der Beitrag unserer Spieler und Trainer sehr wichtig, geschafft, eine Verbesserung der Liquidität zu schaffen. Allerdings, das ist ganz klar, Geisterspiele sind ein wirtschaftlicher Schaden. Sie sind keine Dauerlösung. Daher wird es sehr, sehr wichtig sein, dass wir bald wieder vor Zuschauern spielen können. Denn im schlimmsten Fall, ohne Zuschauer in dieser und der ganzen nächsten Saison 2020/21, könnte der Gesamtschaden für den SK Rapid über 20 Millionen Euro betragen. 

ÖSTERREICH: Ist dieses Bewusstsein in der Politik angekommen?

Peschek: Der Fußball hat als Branche Besonderheiten, denn bei uns sind Personalkosten de facto Fixkosten. Das heißt, wir haben befristete Dienstverträge, die ja nicht einfach kündbar sind, weil es in diesem Wettbewerb wichtig ist, die Spieler bestmöglich an den Verein zu binden. Und dass wir dann, wenn was auf dem Transfermarkt passiert, entsprechende Erlöse generieren. Insofern ist diese Verpflichtung, die wir da eingehen, etwas, was im Wirtschaftsleben eine gewisse Besonderheit ist. Daher ist die aktuelle Situation für uns alle eine sehr herausfordernde. Das versuchen wir der Politik darzulegen. Neben den Fixkosten haben wir dann aufgrund des behördlichen Zuschauerverbotes noch die fehlenden Erlöse und Rückerstattungsgefahr, das tut gerade dem Zuschauermagneten SK Rapid besonders weh. 

ÖSTERREICH: Wie gewinnbringend war der Austausch mit dem Sportminister?

Peschek: Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir die Möglichkeit hatten, rund zwei Stunden persönlich vorzusprechen und eben aus unmittelbarer Betroffenheit, gerade als populärster Klub des Landes, dazulegen, wie groß der wirtschaftliche Schaden ist. Und worauf ich großen Wert lege, ist die Tatsache, dass der SK Rapid in den letzten Jahren gezeigt hat, wie seriös wir gewirtschaftet haben. Im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaftsunternehmen sollte man beim Fußball folgendes beachten: Die Umsätze, die wir jetzt verlieren, sind unwiderbringlich weg. Wir hätten diese Saison wieder mit einem Gewinn abgeschlossen. Aber wir können nicht das Stadion verdoppeln und versuchen, die jetzt verlorenen Umsätze wieder reinzubringen - dieses Geld ist verloren und ein enormer wirtschaftlicher Schaden ist entstanden. Maßnahmen der Politik sind dringend nötig, da sind wir durchaus mit der Kultur vergleichbar. Das haben wir im Gespräch in erster Linie noch einmal betont. 

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ÖSTERREICH: Man hat durch die Fortsetzung mit Geisterspielen eine gewisse Planungssicherheit, was für Zahlen sind in den kommenden Monaten zu erwarten bzw. zu befürchten?

Peschek: Wir stehen für Transparenz und ich spreche auch Klartext. Wenn wir die jetzige als auch die nächste Saison gänzlich ohne Zuschauer spielen, könnte der Schaden über 20 Millionen Euro betragen. Daher: Je früher wir wieder Zuschauer im Stadion begrüßen dürfen, je rascher wir zur Normalität zurückkehren, umso weniger sind wir auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Wir hoffen sehr, dass wir rasch wieder Fußballfeste mit unseren Fans feiern dürfen und dass der nun eingetretene, von uns völlig unverschuldete, massive wirtschaftliche Schaden auch durch einen Beitrag der Politik, wie in anderen Bereichen, unterstützt wird. Denn Fußball ist ein Kulturgut, den gilt es zu erhalten und zu sichern. Da brauchen wir wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen in Österreich, das derzeit von der Corona-Krise betroffen ist, auch Unterstützung. 

Nationale TV-Erlöse nur rund sieben Prozent des Gesamtumsatzes

ÖSTERREICH: Können Sie ausschließen, dass Investoren bei Rapid einsteigen?

Peschek: Ja, alle Verantwortungsträger sehen es so bei uns. Der österreichische Fußball ist ein Kulturgut, hat Traditionen und Werte. Das gilt es zu schützen. Eine finanzielle Notsituation könnte den ein oder anderen Verein dazu zwingen, die Türen für Investoren zu öffnen, die im Regelfall wirtschaftliche Interessen verfolgen, Rendite wollen, und dabei auf Eigenständigkeit und Identität wenig Rücksicht nehmen. Um das zu verhindern, ist die Unterstützung der Politik sehr wichtig. Für uns steht nicht Gewinnmaximierung im Vordergrund, der sportliche Erfolg auf Basis unserer Werte treibt uns an. 

ÖSTERREICH: Es wird zumindest weitergespielt. Aber: Nur von TV-Geldern wird der SK Rapid auf lange Sicht nicht überleben können?

Peschek: Die nationalen TV-Erlöse haben im Geschäftsjahr 2018/19 rund 7 Prozent des Gesamtumsatzes gemacht, international ist dies bei den Klubs deutlich mehr. Natürlich sind TV-Gelder sehr, sehr wichtig. Aber von diesen alleine können wir nicht überleben. Der SK Rapid ist ein Zusehermagnet, das Highlight ist der Spieltag und wir leben von den Spieltagserlösen. Egal ob Tageskarten oder Abos: Die verkauften Karten in Kombination mit den Essens- und Getränkeverkäufen sowie den Fanartikel-Umsätzen bei den Spielen machen für uns einen sehr wichtigen Beitrag aus und den benötigen wir wie einen Bissen Brot.

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ÖSTERREICH: Wie ist die Resonanz der Rapid-Fans auf die Geisterspiele?

Peschek: Die Sehnsucht nach Fußball ist groß. Doch wir verstehen, dass sehr viele Fans unglücklich über Geisterspiele sind, denn wir sind es auch. Geisterspiele sind keine Lösung sondern nur ein Mittel, damit wir die Saison sportlich zu Ende bringen können. Wir hoffen sehr, dass die neue Saison wieder vor Zuschauern stattfinden kann. Aber: Unsere Maßnahmen, die wir getroffen haben, haben ein sehr positives Echo erzeugt und an dieser Stelle möchte ich mich bei unseren Fans für ihre Unterstützung bedanken. 

ÖSTERREICH: Man hört, viele Rapid-Fans verzichten auf die Rückerstattung ihres bereits gezahlten Abos …

Peschek: Wir reden von insgesamt rund 13.000 Abonnenten, inklusive VIPs. Die Summe, um die es im Bereich der Public Abos geht, ist rund eine Million Euro. Wir haben sehr positive Rückmeldungen erhalten. Viele sagen, dass sie gerade in dieser Notsituation Rapid unterstützen wollen und werden. Aber für konkrete Zahlen ist es noch zu früh. Der Brief an die Abonnenten wurde gerade erst versendet, ab Mittwoch können die Fans dann ganz konkret sagen, ob sie auf die Rückerstattung verzichten oder auch nicht.

ÖSTERREICH: Bevor es in Deutschland wieder losgegangen ist gab es die Befürchtung, dass die Fans in Scharren vor die Stadien kommen. Das ist nicht eingetreten. Haben Sie die Befürchtung, dass es bei Rapid zu solchen Ansammlungen kommen könnte?

Peschek: Gerade unsere Fangruppen haben während der Krise großartige Initiativen gezeigt und haben die Verantwortung total gelebt. Persönlich gehe ich davon aus, dass wir keine organisierten Fan-Ansammlungen rund um das Stadion haben werden. 

Zuschauer ab September vorstellbar

ÖSTERREICH: Wie realistisch ist es, dass ab September wieder vor Fans gespielt werden kann?

Peschek: Das müssen Sie den Vizekanzler selber fragen. Wir haben im Zuge unseres Gespräches natürlich diese Notwendigkeit deponiert. Und ich hoffe sehr, dass wir möglichst im September wieder eine Vollauslastung des Stadions haben, nachdem in allen anderen Bereichen eine Rückkehr zur Normalität stattfindet und wir auch entsprechende Konzepte haben. Das wäre für uns auch sehr wichtig. Ich habe leider keine Glaskugel, aber nachdem die Entwicklung der Corona-Zahlen bzw. die Eindämmung des Virus positiv verläuft, bin ich sehr optimistisch, dass wir ab September wieder in vollen Stadien spielen können.

ÖSTERREICH: Eure Einnahmequellen sind nicht nur die Zuschauer, sondern auch der Transfermarkt und ein eventueller Europacup …

Peschek: Genau, wir haben drei Geschäftsfelder: Der nationale Bewerb, der internationale Bewerb und der Transfermarkt. Wir haben in unserem Gesamtumsatz der letzten Jahre im Schnitt aus allen drei Geschäftsfeldern entsprechende Erlöse erwirtschaftet, so dass sie für uns alle relevant sind. Das Thema internationaler Bewerb wird aus meiner Sicht für die kommende Saison immer realistischer, je mehr Länder jetzt wieder ihre nationalen Ligen beginnen. Dass es nur unter ganz massiven Schutzmaßnahmen passieren kann, ist klar. Ob Zuschauer dabei sein können, wird von der europäischen Situation des Corona-Virus abhängen. Was den Transfermarkt anbelangt haben wir uns Seitens der Liga-Klubs darauf verständigt, dass das Transferfenster in Österreich ab 3. August geöffnet werden sollte. Der genaue Zeitraum ist auch noch offen. Ich gehe davon aus, dass es auch Transfers geben wird. Bei den Ablösesummen wird es aber wohl eine Änderung bzw. ein Umdenken geben. Ich glaube nicht mehr, dass international 100 bis 150 Millionen Euro so locker irgendwo überwiesen werden künftig. Die Zeit der Goldsteaks ist vorbei und das ist gut so.

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"Zuerst Überlebenskampf gewinnen und dann kommen Personalien"

ÖSTERREICH: Der Vertrag von Kapitän Stefan Schwab läuft im Sommer aus …

Peschek: Stefan ist als Kapitän auf und neben dem Platz eine sehr wichtige Persönlichkeit für den Verein, wir haben allergrößte Wertschätzung für ihn. Wir können allerdings aus heutiger Sicht, wo noch unklar ist wie die Gesamtentwicklung hinsichtlich des Budgets sein wird, im Sinne der Sorgfaltspflicht noch nicht derartig weitreichende Planungen treffen. Wesentlich wird sein, ab wann wir wieder vor Zuschauern spielen können, ob wir uns für einen internationalen Bewerb qualifizieren und wie die Unterstützung der Politik ausfällt. Eines muss schon bewusst sein: Der Fußball und somit auch der SK Rapid befindet sich immer noch im Überlebenskampf. Sobald wir hier mehr Klarheit haben, können wir auch das Themengebiet der Personalien Schritt für Schritt abarbeiten. Aber noch einmal: Stefan Schwab ist für den SK Rapid eine sehr wichtige Persönlichkeit, die wir gerne bei uns behalten wollen. 

ÖSTERREICH: Zum Sportlichen: Es geht in drei Tagen los, wie groß ist bei Ihnen persönlich die Vorfreude auf den Neustart?

Peschek: Die Vorfreude ist groß, wir sind da, um Fußball zu spielen - darauf haben wir in den letzten Wochen intensiv hingearbeitet. Die Bundesliga hat sich international gut ausgetauscht, das Konzept mit den Spielbetriebsrichtlinien ist ein sehr gutes und sehr durchdachtes, so dass einer erfolgreichen Wiederaufnahme des Ligabetriebes nichts mehr im Wege steht. Wir sind zuversichtlich, dass wir eine erfolgreiche Meisterschaft spielen werden.

ÖSTERREICH: Was sieht eine erfolgreiche Meisterschaft für Rapid aus Sicht des Geschäftsführer Wirtschaft aus?

Peschek: Wir wollen uns in jedem Fall für einen internationalen Startplatz qualifizieren, alles weitere werden wir nach den ersten Spielen sehen. 

ÖSTERREICH: Kann Rapid heuer Meister werden?

Peschek: Wir wollen immer gewinnen, dann werden wir sehen wo wir am Ende stehen.

ÖSTERREICH: Dann eben anders: Wie lautet die Kampfansage an Salzburg vor dem ersten Spiel?

Peschek: (lacht) Salzburg wird sicher niemanden unterschätzen, ist eine sehr gute Mannschaft. Es wird eine immense Kraftanstrengung brauchen, damit wir dort etwas mitnehmen. Aber so wie ich unsere Jungs kenne, werden sie alles raushauen. Die letzten Spiele gegen Salzburg waren sehr enge, intensive Spiele mit meistens einem bitteren Ende für uns. Dieses Mal wollen wir den Spieß umdrehen und fahren dort hin, um was mitzunehmen. 

ÖSTERREICH: Das Spiel wird im ORF übertragen - wie wichtig ist es, dass der Fußball wieder im Free-TV läuft?

Peschek: Der Fußball hat in der Gesellschaft einen sozial und wirtschaftlich extrem hohen Stellenwert. Deshalb ist es absolut zu begrüßen, dass der Fußball gerade in dieser schwierigen Situation noch mehr in den öffentlichen Mittelpunkt rückt. Wir sind wirklich froh, dass möglichst viele Fans am Fußball teilhaben können, wenn sie schon nicht ins Stadion kommen dürfen. 

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"Härteste Zeit seitdem ich Geschäftsführer bin"

ÖSTERREICH: Wie gestaltet sich derzeit der Alltag von Christoph Peschek?

Peschek: Die Corona-Krise ist für alle Menschen in Österreich, so auch für meine Familie und mich, eine sehr herausfordernde Zeit. Meine beiden Söhne sind aktuell auch nicht im Kindergarten, was natürlich auch die Organisation des Familienlebens auf völlig neue Beine gestellt hat. Rapid gemeinsam mit Sportchef Zoran Barisic durch diese raue See zu führen, ist definitiv die härteste Zeit seitdem ich Geschäftsführer bin. Dank der Unterstützung, sei es zu Hause von meiner Frau oder bei Rapid von den Mitarbeitern, bekomme ich aber alles in diesem Notbetrieb unter einen Hut, dafür bin ich sehr dankbar. 

ÖSTERREICH: Gibt es positive Seiten der Corona-Krise?

Peschek: Bei Rapid spüren wir gerade in diesem Überlebenskampf, wie unglaublich stark die Gemeinschaft ist und wir gemeinsam die Teilnahme an Rapid-Spielen noch mehr schätzen werden, gleichzeitig auch die Öffentlichkeit sieht, wie wichtig Fans für den Fußball sind. Gerade in so einer Phase die Vielfalt der Rapid-Gemeinschaft zusammenrückt und auch eine enorme Kraft entwickelt, damit wir diese Herausforderung meistern. Das ist schon beeindruckend. Was die Bundesliga anbelangt: Bei aller sportlichen Rivalität, die wir haben, ist es wirklich schön, dass der überwiegende Teil der Vereine konstruktiv mitgewirkt hat, sich gemeinsam für den Fortbestand österreichischen Profifußball einzusetzen. Das gibt Zuversicht für die Zukunft. 

Interview: Philipp Scheichl

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