U20-WM in Kolumbien

Heraf spürt "unglaublichen Teamgeist"

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U20-Teamchef hofft bei WM in Kolumbien mindestens auf das Achtelfinale.

Vier Jahre nach Kanada will erneut eine österreichische Fußball-Auswahl bei einer U20-WM für Furore sorgen. Die Mannschaft von Teamchef Andreas Heraf flog am Freitag von Wien nach Cartagena, dem Austragungsort des ersten Gruppenspiels am 29. Juli (Ortszeit) gegen Panama. Davor sprach der Coach über die Chancen auf eine Wiederholung des Semifinal-Einzugs von 2007, die Kritik seines Vorgängers Paul Gludovatz und die klimatischen Tücken an der kolumbianischen Karibikküste.

Frage: Welches Ziel haben Sie sich für die WM gesteckt?
Heraf: "Ganz klar, das Achtelfinale zu erreichen. Dann ist es ganz schwer vorauszusagen, was passiert. Man weiß nicht, welchen Gegner wir bekommen und wo wir hinfahren würden."

Frage: Was stimmt Sie optimistisch, dass dieses Ziel erreicht werden kann?
Heraf: "Die Mannschaft hat einen unglaublichen Teamgeist, es gibt eine fantastische Stimmung. Wir hatten das eine oder ander Mal auch Glück, weiterzukommen, und da hat uns neben unserer Qualität auch der Teamspirit gerettet. Wir haben sehr gute Spieler in unseren Reihen, auch wenn Alaba, Dragovic und Holzhauser, die in ihrem Altersbereich als Weltklasse einzuordnen sind, fehlen. Sie hätten uns weitergeholfen, aber mit denen, die mir zur Verfügung stehen, bin ich top zufrieden. Ich weiß, dass ich alle 21 Spieler bringen kann."

Frage: Wo liegen die Schwächen Ihrer Mannschaft?
Heraf: "Wir haben uns mit einem negativen Torverhältnis für die EM qualifiziert. Daher mag man meinen, wir haben in der Defensive Probleme. Aber wir haben eine Mannschaft, die sehr offensiv agiert, die dadurch dem Gegner Räume lassen muss und deswegen auch viele Tore bekommt. Wir wollen hinten kompakt, aber auch vorne gefährlich sein. Das ist die Gratwanderung. Diese Übergange, die im Fußball so wichtig sind, darauf wird es ankommen. Außerdem ist die Mannschaft aufgrund ihrer fußballerischen Qualitäten ein kleines Team, damit müssen wir umgehen. Daher müssen wir schauen, Standardsituationen so gut wie möglich zu vermeiden, zum Beispiel, indem wir so wie spanische Mannschaften hoch verteidigen."

Frage: Birgt das nicht ein zu hohes Risiko?
Heraf: "Das ist ein Knackpunkt. Wenn ich das mache, weiß ich, dass ich hinten 50 Meter bis zu meinem Tor aufgebe. Das Einfachste ist, sich hinten reinzustellen. Schwieriger ist es, offensiv zu spielen und noch schwieriger ist es, offensiv zu verteidigen. Dazu braucht man Zeit, und die war in unserem Fall zu kurz. Man kann es trotzdem riskieren, aber ob ich es riskieren werde, wird man sehen."

Frage: Inwieweit wird sich das System durch das Fehlen von Alaba, Dragovic und Holzhauser ändern?
Heraf: "Gar nicht. Ich habe meine Philosophie, wie die Mannschaft spielen soll, in einem 4-3-3 mit drei echten Stürmern. Ich habe keine großen Spieler, also brauche ich nicht viele Flanken und lasse stattdessen vom Flügel reindribbeln. Deshalb spielen wir immer mit 'verkehrten Füßen' an den Flügeln, also die Linksfüße rechts und umgekehrt. Die Tendenz ist, dass wir viel mit Kurzpass agieren und eher durch die Mitte kommen."

Frage: Spielen Sie ein 4-3-3, weil es Ihrer Meinung nach das beste System ist oder weil es am besten zur Mannschaft passt?
Heraf: "Vielleicht ist es nicht das beste System, aber auf jeden Fall das attraktivste, das Gott sei Dank von vielen Mannschaften praktiziert wird und auch insofern zur Philosophie des ÖFB passt, weil wir offensiv spielen wollen. Ich habe mit dieser Mannschaft aber nicht immer so gespielt, das hat sich erst dadurch ergeben, dass die Spieler aus dem 1992-Jahrgang dazugestoßen sind, die extrem gute Fußballer sind. So hat sich das gut entwickelt, und warum sollten wir jetzt etwas daran ändern, nur weil wir bei einer WM spielen?"

Frage: Abgesehen vom System - wovon wird es noch abhängen, dass man bei der WM erfolgreich ist?
Heraf: "Ganz klar von der Einstellung auf das Klima. Ein Kontaktmann von mir hat sich bei südamerikanischen und kolumbianischen Trainern erkundigt, wie man mit so extremen Bedingungen wie in Cartagena umgehen kann. Alle haben gesagt, dort gewinnt nicht immer die bessere Mannschaft, sondern die, die sich mehr quälen kann und den Sieg mehr will."

Frage: Wäre also ein Psychologe hilfreich?
Heraf: "Als ich die Mannschaft von Gludovatz übernommen habe, war keiner dabei. Ich habe auch keinen genommen und wollte dann, als es gelaufen ist, keine externe Person dazunehmen, die keiner kennt und wo vielleicht kein Vertrauen da ist. Wenn ein Psychologe von Beginn an mitgewachsen wäre - gerne, aber das war nicht der Fall. Wir haben mit Gerhard Zallinger einen Sportwissenschaftler und Fitnesscoach dabei. Diese Komponente ist von der Trainingssteuerung her viel wichtiger."

Frage: Was könnte ein ähnlicher Erfolg wie in Kanada für den österreichischen Fußball bedeuten?
Heraf: "Alleine schon, dass wir zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren dabei sind, hat eine unglaubliche Bedeutung für den österreichischen Fußball. Man muss ja nur schauen, wer nicht dabei ist - Deutschland, Italien oder die Niederlande. Ich habe nicht nur einmal davon geträumt, dass wir diesen Erfolg wiederholen, aber ich bin Realist und weiß, wie unsere Qualifikation gelaufen ist, wie die Verhältnisse in Kolumbien sind, was dort für Kapazunder warten und wie intensiv und penibel sich unsere Gegner vorbereitet haben. Das sind Dinge, die nicht für uns sprechen, dennoch glaube ich, dass alles möglich ist."

Frage: Wie sehr könnte ein Erfolg in Kolumbien Ihre persönliche Karriere beflügeln?
Heraf: "Es wird mir keiner glauben, aber ich denke überhaupt nicht an mich. Es kann sein, dass sich Türen öffnen, aber ich fühle mich wohl beim ÖFB, habe einen Riesenspaß, mit den Jungen zu arbeiten. Ich kann schon zugeben, dass ich gern einmal Rapid-Trainer werden würde, aber das hat nichts mit der WM zu tun."

Frage: Ihr Vorgänger Paul Gludovatz sorgte zuletzt mit scharfer Kritik an Ihnen für Aufsehen. Wie sehr schmerzen Sie diese Aussagen noch?
Heraf: "Ich kann sie nicht nachvollziehen. Was mich ärgert ist, dass zum Teil Unwahrheiten verbreitet worden sind. Was mich noch mehr ärgert, ist, dass es eine persönliche Attacke gegen mich war, die einen absolut bösen Hintergrund hatte, nämlich mich schlecht zu machen. Es haben mich sehr viele Kollegen aus der Bundesliga angerufen, mit denen ich ansonsten relativ wenig zu tun habe, und die haben mir gesagt: 'Vergiss es, lass ihn.' Das hat gut getan. Ich weiß, dass ich seit einem Jahr an dieser WM arbeite und zig Stunden im Auto und mit Gegneranalyse verbracht habe. Ich brauche mir keine Gedanken zu machen, dass da irgendwas falsch gelaufen wäre."

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